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  • Lord Chao

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NFK schrieb am 14. März 2009 16:30

> Ich möchte auf einen wesentlichen Aspekt hinweisen, der mir in dem
> Artikel doch zu kurz kommt. Eigenes Geld einzuführen hat ja auch den
> Effekt, dass damit Gruppenbindungen verstärkt werden können

Ist das so schlecht in unserer hyperindividualistischen Gesellschaft?

> und das
> Verhalten von Menschen steuerbar wird. 

Hmmm. Willst du damit sagen, dass das jetzige Geldsystem Menschen
*nicht* steuert? 

> Wenn etwa eine streng
> religiöse Sekte ihr eigenes Geld herausgibt, dann mit dem Ziel, dass
> es innerhalb der Gemeinschaft bleibt. Wer sein Gehalt in
> elektronischen Religions-Talern ausgezahlt bekommt, der wird es auch
> bei dem Bäcker ausgeben, der ebenfalls der Gemeinschaft angehört.

So weit, so gut.

> Jeder Geldwechsel in eine andere Währung wird nur mit Verlusten
> möglich sein. 

Wieso? Niemand sagt, dass du nur Religions-Taler haben darfst. In
eine elektronische Geldbörse passen Porn-Pesos, Garagen-Gulden,
Milch-Märker und sogar Liebes-Lira. Und für eine Zeitlang sicher auch
Euro, Yen, Pfund und Dollar.

> Und bestimmtes Verhalten wird damit im vorneherein
> ausgeschlossen: wenn eine Spielhölle keine Religions-Taler
> akzeptiert, dann wird es unwahrscheinlich, dass Mitglieder der Sekte
> dort Geld verspielen.

Auch heute schon werden längst nicht alle Dienstleistungen von allen
Bürgern eingefordert. Und Sektenmitglieder kriegen meist nicht mal
Taschengeld, somit hat sich die Spielhölle schon vorher erübrigt.

> Man kann sich fragen, ob das die Ausnahme oder doch eher die Regel
> wäre. Was wäre, wenn eine Kommune oder eine Firma Gehälter zum Teil
> in einer eigenen Währung ausgibt. Sie tut dies deshalb, damit das
> Geld möglichst intern wieder ausgegeben wird. Ist eine solche
> Steuerung akzeptabel?

Es ist gar nicht so lange her, da haben Firmen Gehälter zum Teil in
Aktien ausbezahlt. Ja, ich weiss, dass das einige Microsoft
Mitarbeiter reich gemacht hat, aber die meisten deutschen Startups,
die das während des dot.com booms gemacht, gibt es nicht mehr.

War es akzeptabel, die eigenen Mitarbeiter so risikoreich zu vergüten

> Bestimmte Leistungen werden vielleicht nur in einer bestimmten
> Währung erschwinglich, die man wiederum nur bekommt, wenn man zu
> bestimmten Verhaltensweisen bereit ist. 

Wenn sich Käufer und Anbieter einig sind, findet sich ein Weg der
Vergütung. Wenn ich als Hauskäufer lieber $300k als offiziellen Preis
haben will, damit die Steuern niedriger sind, überweise ich halt
$300k an den Eigner und gebe den Rest Cash. Wenn ich als
Spielhöllenbesitzer keine Religionstaler abkzeptieren darf (wer soll
sowas eigentlich kontrollieren), dann verkaufe ich halt Postkarten,
die zufälligerweise als Einsatz für meine Spielautomaten akzeptiert
werden.

> Man kann sich hierfür sowohl
> positive als auch negative Beispiele vorstellen. Der Zugang zu
> erstrebenswerten Gütern könnte plötzlich stark erschwert werden,
> nicht alles ist durch eine dicke Brieftasche regelbar.

Willst du damit andeuten, dass heutzutage 'alles durch eine dicke
Brieftasche regelbar ist'? 

> Man benötigt
> auch die richtige Währung (es sei denn, man nimmt unter Umständen
> gravierende Umtauschverluste in Kauf). Eine Währung wäre in einer
> solchen Welt etwas anderes als das, was wir heute darunter verstehen.

Wie wäre es, wenn du dich von dem Gedanken 'einer Währung'
verabschiedest? Leute mit etwas mehr Geld haben oft Konten in
verschiedenen Währungen, und Goldmünzen oder -barren. Das kostet zwar
mehr für die reine Verwaltung des eigenen Reichtums, bietet aber oft
extreme Steuerersparnisse.

Die derzeitigen 'Umtauschgebühren' für Währungskonversion sind Preise
für die Dienstleistung (zentraler) Banken. Wenn deine Geldbörse das
automatisch macht, werden aus 10 Porn-Pesos 20 Religions-Taler, und
aus 20 Religions-Talern wieder 10 Porn-Peso, usw usf. weil keine
zentrale Bank beim Tausch absahnt.

> In vieler Hinsicht ist unser Zivilisation auf Geld gebaut. 

Zivilisation ist IMHO auf Wissen aufgebaut. Und auf Kooperation. Geld
ist lediglich ein Bauwerkzeug, kein Baugrund.

> Man sieht
> das ja auch daran, wie sich einige mit Gold, Nahrung und Waffen
> eindecken, weil sie einen Zusammenbruch der Wirtschaft befürchten.
> Die Einführung von vielen verschiedenen Währungen hätte in jedem Fall
> den Effekt, dass der bisherige öffentliche Raum noch weiter
> geschwächt wird. 

Wieso? Wer sagt das?

> Wenn es viele Währungen gibt, dann werden auch
> allgemeinverbindliche Regeln fraglich. 

Welche 'allgemeinverbindliche Regeln' meinst du? Das man sich zum
Scheissen über ein Loch hockt, zum Beispiel? 

> Einige Gruppierungen werden
> versuchen, sich abzukoppeln und eigene Regeln durchzusetzen. Die
> Zersplitterung der Gesellschaft wird zunehmen, Rassismus wird
> zunehmen, es wird offene Feindseligkeiten geben, die dazu dienen, die
> eigene Gruppenbindung zu stärken.

Die Weltgesellschaft ist ziemlich zersplittert, und jede nationale
Gesellschaft ist leichter beherrschbar, wenn sie zersplittert ist.
Die Arbeitstauschsysteme bzw alternativen Währungssysteme verstärken
die Gemeinschaft eher, als dass sie weiter aufteilen.

> Es wäre natürlich ideal, wenn wir
> statt dessen ganz selbstverständlich verschiedenste Währungen
> benutzen, flexibler, vielseitiger und offener werden,

Genau das behauptet der Artikel doch. Sicher, benutzerfreundlich,
frei konfigurierbar, open source. Ich gebe zu, die Grundidee ist so
einfach, dass es schwerfällt, sie konsequent weiterzudenken. 

> anstatt uns
> einer Splittergruppierung zuzuwenden und dort das völlige Heil zu
> suchen. 

Dann hör doch auf, das völlige Heil zu suchen. Und werde
misstrauisch, wenn dir jemand das völlige Heil verkaufen will, wie zb
die G8 und G20, IMF und EZB.

> Dieses Ideal einer multikulturellen Persönlichkeit  ist nicht
> neu. Man kann es sich wünschen, aber man kann es nicht postulieren
> oder gar durchsetzen.

'Multikulturelle Persönlichkeit' ist längst Realität, Reinheit von
Kultur oder Rasse ist eine adsurde Illusion.

> Ich will die grundsätzliche Idee gar nicht schlechtreden. Ich kann
> mir vielmehr tatsächlich vorstellen, dass es eine Entwicklung in
> diese Richtung gibt. Aber gerade deshalb halte ich es für nötig, den
> Blick auch darauf zu richten, was verlorengehen würde. Und sich zu
> fragen, ob wir darauf wirklich verzichten können.

Was genau denkst du würde verloren gehen? 

mfg,
lc

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