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  • Eiffel

441 Beiträge seit 12.07.2003

Eine Lektion in politischer Genetik oder genetischer Politik?

SpaceAgain schrieb am 29. Juli 2003 19:10

> Eiffel schrieb am 29. Juli 2003 16:49
>
> > Historiker sind sich einig, dass es kaum Staaten gab, in denen mit
> > Sozialismus wirklich ernst gemacht wurde. Zudem muss man das
> > Scheitern analysieren.
>
> Tja, liegt das nun daran, dass es niemand recht versucht hat, oder
> dass es einfach wider die Natur des Menschen geht?

Darauf wollte ich hinaus. Die Antwort ist meinem Kenntnis Stand nach
noch nicht gefunden. Allerdings halte ich ein Lobenpreisen der
heutigen Systeme für verfrüht, da ich nicht überzeugt bin, dass sie
die sich abzeichnenden Probleme lösen, obwohl es natürlich Lösungen
gibt.

> > Dass aber Sozialismus
> > das Abschaffen von Privateigentum oder vom individuellen Entlöhnen
> > zur Folge hätte, ist auf Deinem eigenen Mist gewachsen und hat mit
> > der Theorie nichts zu tun. Woher hast Du denn das?
>
> Vielleicht nicht komplett abgeschafft, aber zumindest teilweise. Ein
> Beispiel, um meine Denkweise zu erläutern:
>
> Mein Großvater hat in der DDR gelebt, als Bauer. Nach 1945 wurde er
> irgendwann enteignet und kam in die LPG. Und wenn er dann mal bei uns
> zu Besuch war, hat er so Geschichten erzählt wie: Die Angestellten in
> der LPG haben beim Aussäen einfach das halbe Saatgut in der Mitte des
> Feldes abgeladen. Sie wurden ja nicht nach Leistung bezahlt sondern
> pauschal, und bis man das gesehen hat, weil das Getreide zu wachsen
> anfing, war nicht mehr zu ermitteln, wer das gemacht hat - und es war
> eh jedem wurscht.

Aber das könnte man doch ganz leicht ändern, indem man die Leute am
Ertrag beteiligt! Warum funktionieren Kooperativen in Lateinamerika?
Gibt's bei Deutschen eine genetische Sozialismussperre?

> Das meine ich mit der Inkompatibilität von Menschen und Sozialismus.

Was Dein Großvater da erzählt, hat aber viel mehr mit Dummheit als
mit Sozialismus zu tun. Ich würde sogar sagen, dass es exakt meine
These belegt, dass es wichtig ist, etwas gut zu organisieren, wenn
man Erfolg haben will. Gegen diese Grundregel wird leider oft
verstoßen, was dann das Ziel in Misskredit bringt. Schrecklich.

> > Die DDR war genauso sozialistisch wie demokratisch.
> > Die DDR war genauso sozialistisch wie die VSA demokratisch.
> > Die DDR war genauso demokratisch wie die VSA .
>
> Naja, zwei von drei.
>
> Also ich bin wirklich kein VSA-Fan, aber aufgrund eines recht guten
> Kenntnisstands des Lebens der Mehrheit in beiden Systemen würde ich
> jederzeit die VSA vorziehen. Abgesehen von bestimmten Perioden
> (McCarthy, Bush) gab es dort immer noch mehr Freiheiten.

Darum geht's aber doch gar nicht! Mir ging's darum zu zeigen, dass
der Inhalt nichts mit der Verpackung zu tun haben muss. Wegen mir
kann auch Kommunissmus draufstehen, wenn Wohlstand und einige andere
Merkmale drin sind.


> > Und mit Deiner Bruchrechnung scheint auch etwas daneben gegangen zu
> > sein. Kleiner Teil wahlberechtigt in Deutschland? Da bin ich aber
> > sehr gespannt, wie Du das ausgerechnet hast.
>
> Kann ich Dir erläutern. Ich habe wie angeführt die für unseren
> Wohlstand bzw. für unser ganzes System notwendige bettelarme Masse in
> den Entwicklungsländern zu unserer Gesellschaft hinzugerechnet. Das
> sind unsere Heloten, nur dass sie halt einige tausend Kilometer weit
> weg sitzen. Ist doch auch viel hygienischer und netter anzuschauen,
> wer will schon täglich dieses Elend sehen. Dann kaufen wir unseren
> Kaffee im Transferladen und gut is'.

Da hast Du aber den Bogen wohl ein bisschen zu weit gespannt, weil
diese Personen sich außerhalb der staatlichen Ordnung Deutschlands
befinden. Was soll Deine Aussage zur Demokratie bedeuten, wenn viele
verschiedene Systeme eingeschlossen sind? Wie kann man von Demokratie
sprechen, wenn Waren aus Diktaturen importiert werden?


> Hab' ich was von Berufen gesagt? Ich sprach davon, dass in kleinen
> Gruppen die Asozialität des Einzelnen weit eher auffällt als in
> großen Gruppen, und deshalb ein solches Individuum schneller geächtet
> wird. Je größer und anonymer die Gruppe, desto weniger muß ein
> Asozialer die Ächtung fürchten.
>
> > Im kleinen Umfeld lohnt sich der Betrug meistens nicht, kommt aber
> > auch da vor, verursacht hingegen meistens kleinere Schäden.
>
> Wenn jeder jeden genau kennt, dann sind die Asozialen doch schneller
> erkannt und werden ausgegrenzt. In einer Buschmann-Sippe kann man es
> sich nicht wirklich erlauben, auf Kosten der anderen zu leben, da
> wird einem ziemlich schnell der Brotkorb höher gehängt.

Korrekt. Aber unabhängig von der politischen Organisation gibt es
eine wirtschaftliche, die es verunmöglicht, die Leute auf diese Art
zu kontrollieren. Genaugenommen beschreibst Du nämlich keine
politische Verfassung dieser archaischen Gesellschaftsform, sondern
Du konzentrierst Dich auf ihren sehr beschränkten ökonomischen
Spielraum. Korruption ist aber eigentlich etwas anderes als
Rücksichtslosigkeit oder Asozialität.

> > Umgekehrt sehe ich in Ländern des Balkans, Afrikas oder
> > Lateinamerikas keine bessere Situation bzgl. Korruption, obwohl dort
> > oft keine großen organisatorischen Strukturen vorhanden sind. Im
> > Gegenteil: In manchen schwarzafrikanischen Ländern beutet eine kleine
> > Clique das Land praktisch im Alleingang aus.
>
> Könnten sie aber nicht ohne die vielen Mitläufer und Nutznießer.

Vielen? Darum geht's doch gerade: Wenige!

> > Selbst wenn man solche Tendenzen auf die Evolution abschieben möchte,
> > so zeigt doch die Lernfähigkeit des Menschen, dass diese Tendenzen
> > keine Rolle spielen. Die Erziehung ist in diesem Fall alles. Man muss
> > also die von mir diagnostizierten Ausreden mit einer guten
> > Organisation und einer guten Erziehung kontern.
>
> Da sind wir grundsätzlich verschiedener Meinung darüber, wieviel man
> Menschen durch Erziehung verändern kann. Lies' mal Hoimar von
> Dithfurth zu dem Thema. "Im Herzen noch Neanderthaler, in der Hand
> die Atombombe." Unsere Urinstinkte leiten den Großteil unseres
> Handelns und nur Wenige schaffen es wirklich, sich davon zu lösen.

Vielleicht reden wir aneinander vorbei: Es gibt doch bereits jetzt
diverse Staatsformen und völlig unterschiedliche Verhaltensweisen,
wie mit Fremden umgegangen wird, wie auf soziale oder ökonomische
Störungen reagiert wird und was als erstrebenswert angesehen wird.
Ich spreche nicht davon, dass man den Menschen zu etwas bringen kann,
was gegen seine Natur ist. Aber der Umgang mit Macht in Gruppen ist
nun wirklich nicht angeboren, sonst wäre der überall auf der Welt
gleich, wenn man nicht so weit gehen will, ihn mit einer Rasse zu
koppeln. Aber selbst die drillgewohnten Meuterer der Bounty konnten
sich im Handumdrehen in die Machtstrukturen der Eingeborenen
einfügen. Wenn das keine Anpassungsleistung des Gehirns war!

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