TecDoc schrieb am 5. September 2006 22:42
> [...]
>
> > Sie sollten lesen, nicht interpretieren. Ich habe nicht geschrieben,
> > dass die Sowjetunion "der Morgen der Menschheit" gewesen sei. Eine
> > solche Sichtweise liegt mir fern. Ich habe nur ihre kuehne
> > Behauptung, Sozialismus sei nirgendwo auf der Welt erfolgreich
> > gewesen, mit einer kurzen Darstellung widerlegt.
>
> Die Behauptung, der Sozialismus sei nirgendwo auf der Welt
> erfolgreich gewesen, ist schon durch den Umstand berechtigt, daß es
> ihn einige Jahrzehnte nach den ersten Versuchen seiner Einführung
> schon wieder so gut wie nicht mehr gibt (von ein paar zweifelhaften
> Überbleibseln wie Nordkorea oder Kuba mal abgesehen).
Demnach war der VW Kaefer auch kein Erfolg - schliesslich gibt es ihn
nicht mehr.
Fuer die Sichtweisen des 19. Jahrhunderts und die Handlunsgoptionen
des fruehen 20. Jahrhunderts war die Sowjetunion mit dem Ziel einer
staatlich gelenkten Industrialisierung erfolgreich. Dass sich die
Ziele spaeter gewandelt und der Ansatz und _Anspruch_ sich im Laufe
der Zeit gewandelt haben, spricht nicht gegen den Erfolg in einer
bestimmten Zeit. So wie der Kaefer in seiner Zeit ein Erfolg war und
mit neuen Techniken und Ansaetzen durch andere Fabrikate ersetzt
wurde, war auch die Sowjetunion fuer ihre Zeit ein Erfolg. Spaeter
musste sie sich wandeln, um nicht auf der Stelle stehen zu bleiben.
Deshalb wird aber der Erfolg zum damaligen Zeitpunkt nicht weniger.
> Das war nicht mal ein Jahrhundert - historisch gesehen ist das eine
> Episode, weiter nichts. Hier von "Erfolg" zu sprechen, halte ich doch
> für arg euphemistisch ...
Eben. Es war ein Zeitabschnitt, welcher aus heutiger Sicht ueberholt
ist und deren Argumente, Debatten und Kaempfe schwer nachvollziehbar
sind. Dennoch waren diese fuer die damalige Zeit erfolgreich.
> [...]
>
> > Es kommt in
> > staatskapitalistischen Systemen immer wieder zu Planungs- und
> > Allokationsfehlern in deren Folge Menschen Hungers sterben. Dies ist
> > kein exklusives Merkmal der Sowjetunion noch eines sozialistischen
> > Staatssystems.
>
> Welche "staatskapitalistische Systeme" ausser Sozialismus (und ggf.
> Kommunimus) gibt es denn noch? Na gut, man könnte, wenn man wollte,
> noch den Nationalsozialismus dazu zählen?! - Nur - mit dem Begriff
> "Erfolg" verbinde ich keines dieser Systeme ...
Japan, Suedkoera, Taiwan. In gewisser Weise auch Frankreich mit
seinen Jahres- und Fuenfjahresplaenen. Es gibt schon noch sehr viel
mehr staatlich gelenkten Kapitalismus als den "boesen
Staatskapitalismus"(tm) in Osteuropa.
Japan ist sicherlich das erfolgreichste Modell der nachholenden
Industrialisierung unter strenger staatlicher Kontrolle. Sowohl Korea
als auch Taiwan waren lange Zeit Militaerdiktaturen mit Ziel der
Wirtschafts- und Gesellschaftsentwicklung durch staatliche Lenkung.
> [...]
>
> > Unabhaengig davon war dies nicht der Punkt der Diskussion. Sie haben
> > behauptet der Sozialismus sei nirgendwo erfolgreich gewesen und ich
> > habe Ihnen anhand der Sowjetunion gezeigt, dass er Erfolge gehabt
> > hat.
>
> Unter "Erfolg" verstehe ich wirklich etwas anderes ...
Holzhuetten mit Dung-Befeuerung und Wasser aus dem Ziehbrunnen bei
einer Lebenserwartung von 40 Jahren und Plattenbauten mit Fernwaerme,
warmem Wasser aus der Wand und einer Lebenserwartung von 60 Jahren
sind ein klarer Unterschied und letzteres Szenario kann man als
Erfolg kennzeichnen. Auch wenn dieser Erfolg mit Millionen Toten
erkauft wurde. (Aber auch die Entwicklung des Kapitalismus hat
Millionen Tote gefordert, auch wenn diese ueber einen laengeren
Zeitraum zumeist anderen Ursachen wie Kriegen und Migration
zugeordnet werden.)
> Das bloße Vorhandensein einer auch noch so geringen Weiterentwicklung
> werten sie schon als "Erfolg"?; bzw. würden sie einen "Mißerfolg"
> erst einsehen, wenn sich die Lage innerhalb von 70 Jahren
> verschlechtert hätte? -
Im Prinzip ist es so. Die Kulturrevolution in China war ein
Misserfolg auch ganzer Linie. Das ist aber nur ein kleiner Ausschnitt
aus der gesamten Entwicklung. In ein paar Jahren werden wir genauer
sagen koennen, ob die chinesische Strategie erfolgreich war oder
nicht.
Da sie Sowjetunion als Epoche fuer Russland abgeschlossen ist, kann
man hier eine entsprechende Bewertung schon vornehmen. Und diese
lautet im Hinblick auf viele Indikatoren, dass die Entwicklung
positiv verlaufen ist. Sicherlich war sie nicht so positiv wie
propagiert, wie von den Akteuren gewollt und geplant. Dennoch war sie
in einem kleinen Massstab erfolgreich.
> Ein solcher Maßstab wäre höchstens dann akzeptabel, wenn es nicht
> rundherum auf der Welt Gesellschaften, Staaten und Wirtschaftssysteme
> gegeben hätte, die sich in der gleichen Zeit z.T. um ein Mehrfaches
> besser entwickelt hätten, als der Sozialismus.
Hier stehen wir vor einem methodologischen Problem. Wir koennen nicht
sagen wie sich das zaristische Russland ohne die bolschewistische
Machtuebernahme entwickelt haette, weil sich die Geschichte so nicht
entwickelt hat. Deshalb ist jede wenn-aber-dann-Betrachtung reine
Spekulation und Mutmassung.
Wenn es so einfach waere die Entwicklung nur anhand eines
Gesellschaftsmodells zu erklaeren, dann stellt sich immer noch die
Frage, warum sich manche Laender bei gleichen Ausgangsbedingungen
stark positiv entwickeln und andere nicht. Kurz: warum haben sich die
kapitalistischen Laender Skandinaviens zwischen 1900 und 1935 ganz
anders entwickelt als Polen oder die Baltischen Staaten? Die
Rahmenbedingungen waren sehr aehnlich und doch gab es enorme
Unterschiede und den Entwicklungsergebnissen. Warum unterscheiden
sich die Benelux-Laender so sehr?
Solange die Volkswirte und Wirtschaftshistoriker die Faktoren fuer
eine positive Wirtschaftsentwicklung benennen koennen, nicht jedoch
aber die Gruende fuer deren Beginn, ist eine Diskussion ueber das
wenn-aber der Sowjetunion muessig.
Wir koennen nicht sagen, ob sich Russland kapitalistisch besser
entwickelt haette als als sozialistisches Modell. Uns fehlt der
Vergleich, weil es so nicht stattgefunden hat. Deshalb verbleibt als
einzige Argumentationsoption die Betrachtung, ob Russland den Status
quo erhalten oder diesen verloren hat. Dabei stellen wir fest, dass
sich die Lebensbedingungen fuer den Grossteil der Bevoelkerung
verbessert haben. Vielleicht haetten die Menschen in einem anderen
System noch besser leben koennen. Kann sein. Da sie es aber nicht
haben, kann der Erfolg und Misserfolg des Systems nur an dessen
Ergebnissen gemessen werden. Und diese sind eindeutig.
> - Und die es vor allem
> heute noch gibt, die eben nicht krachend in sich zusammengebrochen
> sind, z.T. unter reger Beteiligung der eigenen Bevölkerung, wie der
> Sozialismus.
Der Sozialismus war ein Instrument seiner Zeit. Er ist ueber lange
Dekaden gekommen und auch nicht so krachend zusammengebrochen wie
kolportiert. Das sind Legitimations-Phantasien einiger Westler.
Die Sowjetunion erlebte systembedingt eine Stagnation seit Mitte der
1970er Jahre. Gut 10 Jahre spaeter fuehrten die groesser werden und
auch systembedingten Diskrepanzen zwischen den einzelnen
Wirtschaftsfeldern zu einem politischen Auseinanderbrechen der Union.
Wo keine staendigen Zuwaechse verteilt werden konnten, die Ansprueche
aber nicht korrigiert wurden, kam es zu Verwerfungen auf politischer
Ebene und als Folge dessen zu immer staerkeren Fehlallokationen. Ab
1986 ging die Stagnation in eine Krise ueber, welche fuer Russland
erst Mitte der 1990er Jahre vorbei war. Die Sowjetunion ist nicht
einfach so implodiert. Den Fachleuten war das Kommen einer Krise und
deren spaetere Existenz bekannt - sie haben diese und deren
Konsequenz nur falsch eingeschaetzt. Daraus wurde dann die urbane
Legende, dass niemand etwas haette ahnen koennen und niemand etwas
von der Krise gewusst haette. Selbstschutzmechanismen eben.
Der Anteil der Bevoelkerung am Umwaelzungsprozess in den
sozialistischen Laendern ist etwa so hoch wie der sichtbare Teil
eines Eisberges. Ein paar Traeumer und politische Agitatoren sehen
das anders und reden/schreiben von Demokratisierung etc. Die
Situation vor Ort sah und sieht anders aus. Mit Ausnahme der DDR
waren alle politischen Umwaelzungen in den sozialistischen Laendern
Europas Palastrevolutionen ohne direkten und unmittelbaren
Elitentausch. "Die friedlichen Revolutionen" waren graduelle
Uebergaenge zwischen Mitgliedern gleicher sozio-kultureller Coleur
bzw. gleicher Gruppenzugehoerigkeit. 1789 war eine Revolution, 1989
war keine.
> Es ist mir aus o.g. unerklärlich, wie man mit dem Sozialismus
> insgesamt den Begriff "Erfolg" verbinden kann.
Das ist ganz einfach: Indem man die Ziele und Absichten der
Befuerworter dieses Systems mit ihren den Resultaten ihres Wirkens
vergleicht. Dabei kommt heraus, dass sie zumindest in der Sowjetunion
einen grossen Teil ihrer Ziele erreicht haben. Einen anderen Teil
haben sie natuerlich nicht erreicht und in anderen Punkten sind ihnen
Fehler unterlaufen bzw. haben sie Massnahmen ergriffen, die in
voelligem Gegensatz zu den urspruenglichen Zielen standen. In der
Summe hat sich aber die Wohlfahrt der Mehrheit der Bevoelkerng in
Russland verbessert. Anstatt als Analphabeten in einer
Umverteilungsgemeinschaft mit einer Lebenserwartung von knapp 40
Jahren zu leben, hat sich die Lebenserwartung einhergehend mit einer
umfassenden Urbanisierung um gut 50 Prozent erhoeht. Andere Laender
haben dies im gleichen Zeitraum nicht geschafft.
Inwieweit die Ideologie dabei Motor oder Bremse war, ist sehr schwer
zu sagen. Fest steht aber, dass die Sowjetunion sich im Gegensatz zu
anderen Laendern wie dem Steinzeitkommunismus der Khmer oder einiger
Roter Brigaden - mit dem Ziel vollstaendiger Autonomie kleiner
Versorgungsgemeinschaften - sich weiterentwickelt hat. In diesem
Sinne war die Sowjetunion erfolgreich.
MfG
Nikolas Rubashov
> [...]
>
> > Sie sollten lesen, nicht interpretieren. Ich habe nicht geschrieben,
> > dass die Sowjetunion "der Morgen der Menschheit" gewesen sei. Eine
> > solche Sichtweise liegt mir fern. Ich habe nur ihre kuehne
> > Behauptung, Sozialismus sei nirgendwo auf der Welt erfolgreich
> > gewesen, mit einer kurzen Darstellung widerlegt.
>
> Die Behauptung, der Sozialismus sei nirgendwo auf der Welt
> erfolgreich gewesen, ist schon durch den Umstand berechtigt, daß es
> ihn einige Jahrzehnte nach den ersten Versuchen seiner Einführung
> schon wieder so gut wie nicht mehr gibt (von ein paar zweifelhaften
> Überbleibseln wie Nordkorea oder Kuba mal abgesehen).
Demnach war der VW Kaefer auch kein Erfolg - schliesslich gibt es ihn
nicht mehr.
Fuer die Sichtweisen des 19. Jahrhunderts und die Handlunsgoptionen
des fruehen 20. Jahrhunderts war die Sowjetunion mit dem Ziel einer
staatlich gelenkten Industrialisierung erfolgreich. Dass sich die
Ziele spaeter gewandelt und der Ansatz und _Anspruch_ sich im Laufe
der Zeit gewandelt haben, spricht nicht gegen den Erfolg in einer
bestimmten Zeit. So wie der Kaefer in seiner Zeit ein Erfolg war und
mit neuen Techniken und Ansaetzen durch andere Fabrikate ersetzt
wurde, war auch die Sowjetunion fuer ihre Zeit ein Erfolg. Spaeter
musste sie sich wandeln, um nicht auf der Stelle stehen zu bleiben.
Deshalb wird aber der Erfolg zum damaligen Zeitpunkt nicht weniger.
> Das war nicht mal ein Jahrhundert - historisch gesehen ist das eine
> Episode, weiter nichts. Hier von "Erfolg" zu sprechen, halte ich doch
> für arg euphemistisch ...
Eben. Es war ein Zeitabschnitt, welcher aus heutiger Sicht ueberholt
ist und deren Argumente, Debatten und Kaempfe schwer nachvollziehbar
sind. Dennoch waren diese fuer die damalige Zeit erfolgreich.
> [...]
>
> > Es kommt in
> > staatskapitalistischen Systemen immer wieder zu Planungs- und
> > Allokationsfehlern in deren Folge Menschen Hungers sterben. Dies ist
> > kein exklusives Merkmal der Sowjetunion noch eines sozialistischen
> > Staatssystems.
>
> Welche "staatskapitalistische Systeme" ausser Sozialismus (und ggf.
> Kommunimus) gibt es denn noch? Na gut, man könnte, wenn man wollte,
> noch den Nationalsozialismus dazu zählen?! - Nur - mit dem Begriff
> "Erfolg" verbinde ich keines dieser Systeme ...
Japan, Suedkoera, Taiwan. In gewisser Weise auch Frankreich mit
seinen Jahres- und Fuenfjahresplaenen. Es gibt schon noch sehr viel
mehr staatlich gelenkten Kapitalismus als den "boesen
Staatskapitalismus"(tm) in Osteuropa.
Japan ist sicherlich das erfolgreichste Modell der nachholenden
Industrialisierung unter strenger staatlicher Kontrolle. Sowohl Korea
als auch Taiwan waren lange Zeit Militaerdiktaturen mit Ziel der
Wirtschafts- und Gesellschaftsentwicklung durch staatliche Lenkung.
> [...]
>
> > Unabhaengig davon war dies nicht der Punkt der Diskussion. Sie haben
> > behauptet der Sozialismus sei nirgendwo erfolgreich gewesen und ich
> > habe Ihnen anhand der Sowjetunion gezeigt, dass er Erfolge gehabt
> > hat.
>
> Unter "Erfolg" verstehe ich wirklich etwas anderes ...
Holzhuetten mit Dung-Befeuerung und Wasser aus dem Ziehbrunnen bei
einer Lebenserwartung von 40 Jahren und Plattenbauten mit Fernwaerme,
warmem Wasser aus der Wand und einer Lebenserwartung von 60 Jahren
sind ein klarer Unterschied und letzteres Szenario kann man als
Erfolg kennzeichnen. Auch wenn dieser Erfolg mit Millionen Toten
erkauft wurde. (Aber auch die Entwicklung des Kapitalismus hat
Millionen Tote gefordert, auch wenn diese ueber einen laengeren
Zeitraum zumeist anderen Ursachen wie Kriegen und Migration
zugeordnet werden.)
> Das bloße Vorhandensein einer auch noch so geringen Weiterentwicklung
> werten sie schon als "Erfolg"?; bzw. würden sie einen "Mißerfolg"
> erst einsehen, wenn sich die Lage innerhalb von 70 Jahren
> verschlechtert hätte? -
Im Prinzip ist es so. Die Kulturrevolution in China war ein
Misserfolg auch ganzer Linie. Das ist aber nur ein kleiner Ausschnitt
aus der gesamten Entwicklung. In ein paar Jahren werden wir genauer
sagen koennen, ob die chinesische Strategie erfolgreich war oder
nicht.
Da sie Sowjetunion als Epoche fuer Russland abgeschlossen ist, kann
man hier eine entsprechende Bewertung schon vornehmen. Und diese
lautet im Hinblick auf viele Indikatoren, dass die Entwicklung
positiv verlaufen ist. Sicherlich war sie nicht so positiv wie
propagiert, wie von den Akteuren gewollt und geplant. Dennoch war sie
in einem kleinen Massstab erfolgreich.
> Ein solcher Maßstab wäre höchstens dann akzeptabel, wenn es nicht
> rundherum auf der Welt Gesellschaften, Staaten und Wirtschaftssysteme
> gegeben hätte, die sich in der gleichen Zeit z.T. um ein Mehrfaches
> besser entwickelt hätten, als der Sozialismus.
Hier stehen wir vor einem methodologischen Problem. Wir koennen nicht
sagen wie sich das zaristische Russland ohne die bolschewistische
Machtuebernahme entwickelt haette, weil sich die Geschichte so nicht
entwickelt hat. Deshalb ist jede wenn-aber-dann-Betrachtung reine
Spekulation und Mutmassung.
Wenn es so einfach waere die Entwicklung nur anhand eines
Gesellschaftsmodells zu erklaeren, dann stellt sich immer noch die
Frage, warum sich manche Laender bei gleichen Ausgangsbedingungen
stark positiv entwickeln und andere nicht. Kurz: warum haben sich die
kapitalistischen Laender Skandinaviens zwischen 1900 und 1935 ganz
anders entwickelt als Polen oder die Baltischen Staaten? Die
Rahmenbedingungen waren sehr aehnlich und doch gab es enorme
Unterschiede und den Entwicklungsergebnissen. Warum unterscheiden
sich die Benelux-Laender so sehr?
Solange die Volkswirte und Wirtschaftshistoriker die Faktoren fuer
eine positive Wirtschaftsentwicklung benennen koennen, nicht jedoch
aber die Gruende fuer deren Beginn, ist eine Diskussion ueber das
wenn-aber der Sowjetunion muessig.
Wir koennen nicht sagen, ob sich Russland kapitalistisch besser
entwickelt haette als als sozialistisches Modell. Uns fehlt der
Vergleich, weil es so nicht stattgefunden hat. Deshalb verbleibt als
einzige Argumentationsoption die Betrachtung, ob Russland den Status
quo erhalten oder diesen verloren hat. Dabei stellen wir fest, dass
sich die Lebensbedingungen fuer den Grossteil der Bevoelkerung
verbessert haben. Vielleicht haetten die Menschen in einem anderen
System noch besser leben koennen. Kann sein. Da sie es aber nicht
haben, kann der Erfolg und Misserfolg des Systems nur an dessen
Ergebnissen gemessen werden. Und diese sind eindeutig.
> - Und die es vor allem
> heute noch gibt, die eben nicht krachend in sich zusammengebrochen
> sind, z.T. unter reger Beteiligung der eigenen Bevölkerung, wie der
> Sozialismus.
Der Sozialismus war ein Instrument seiner Zeit. Er ist ueber lange
Dekaden gekommen und auch nicht so krachend zusammengebrochen wie
kolportiert. Das sind Legitimations-Phantasien einiger Westler.
Die Sowjetunion erlebte systembedingt eine Stagnation seit Mitte der
1970er Jahre. Gut 10 Jahre spaeter fuehrten die groesser werden und
auch systembedingten Diskrepanzen zwischen den einzelnen
Wirtschaftsfeldern zu einem politischen Auseinanderbrechen der Union.
Wo keine staendigen Zuwaechse verteilt werden konnten, die Ansprueche
aber nicht korrigiert wurden, kam es zu Verwerfungen auf politischer
Ebene und als Folge dessen zu immer staerkeren Fehlallokationen. Ab
1986 ging die Stagnation in eine Krise ueber, welche fuer Russland
erst Mitte der 1990er Jahre vorbei war. Die Sowjetunion ist nicht
einfach so implodiert. Den Fachleuten war das Kommen einer Krise und
deren spaetere Existenz bekannt - sie haben diese und deren
Konsequenz nur falsch eingeschaetzt. Daraus wurde dann die urbane
Legende, dass niemand etwas haette ahnen koennen und niemand etwas
von der Krise gewusst haette. Selbstschutzmechanismen eben.
Der Anteil der Bevoelkerung am Umwaelzungsprozess in den
sozialistischen Laendern ist etwa so hoch wie der sichtbare Teil
eines Eisberges. Ein paar Traeumer und politische Agitatoren sehen
das anders und reden/schreiben von Demokratisierung etc. Die
Situation vor Ort sah und sieht anders aus. Mit Ausnahme der DDR
waren alle politischen Umwaelzungen in den sozialistischen Laendern
Europas Palastrevolutionen ohne direkten und unmittelbaren
Elitentausch. "Die friedlichen Revolutionen" waren graduelle
Uebergaenge zwischen Mitgliedern gleicher sozio-kultureller Coleur
bzw. gleicher Gruppenzugehoerigkeit. 1789 war eine Revolution, 1989
war keine.
> Es ist mir aus o.g. unerklärlich, wie man mit dem Sozialismus
> insgesamt den Begriff "Erfolg" verbinden kann.
Das ist ganz einfach: Indem man die Ziele und Absichten der
Befuerworter dieses Systems mit ihren den Resultaten ihres Wirkens
vergleicht. Dabei kommt heraus, dass sie zumindest in der Sowjetunion
einen grossen Teil ihrer Ziele erreicht haben. Einen anderen Teil
haben sie natuerlich nicht erreicht und in anderen Punkten sind ihnen
Fehler unterlaufen bzw. haben sie Massnahmen ergriffen, die in
voelligem Gegensatz zu den urspruenglichen Zielen standen. In der
Summe hat sich aber die Wohlfahrt der Mehrheit der Bevoelkerng in
Russland verbessert. Anstatt als Analphabeten in einer
Umverteilungsgemeinschaft mit einer Lebenserwartung von knapp 40
Jahren zu leben, hat sich die Lebenserwartung einhergehend mit einer
umfassenden Urbanisierung um gut 50 Prozent erhoeht. Andere Laender
haben dies im gleichen Zeitraum nicht geschafft.
Inwieweit die Ideologie dabei Motor oder Bremse war, ist sehr schwer
zu sagen. Fest steht aber, dass die Sowjetunion sich im Gegensatz zu
anderen Laendern wie dem Steinzeitkommunismus der Khmer oder einiger
Roter Brigaden - mit dem Ziel vollstaendiger Autonomie kleiner
Versorgungsgemeinschaften - sich weiterentwickelt hat. In diesem
Sinne war die Sowjetunion erfolgreich.
MfG
Nikolas Rubashov