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  • TecDoc

mehr als 1000 Beiträge seit 17.05.2004

"Erfolge" ...

> > Die Behauptung, der Sozialismus sei nirgendwo auf der Welt
> > erfolgreich gewesen, ist schon durch den Umstand berechtigt, daß es
> > ihn einige Jahrzehnte nach den ersten Versuchen seiner Einführung
> > schon wieder so gut wie nicht mehr gibt (von ein paar zweifelhaften
> > Überbleibseln wie Nordkorea oder Kuba mal abgesehen).

> Demnach war der VW Kaefer auch kein Erfolg - schliesslich gibt es ihn
> nicht mehr.

Schwaches Argument. Den Käfer gibt es nur deshalb nicht mehr, weil
noch bessere Autos nachfolgten - das ist eine Weiterentwicklung. Und
Autos gibt es nach wie vor, sogar immer mehr.
Vom Sozialismus hingegen gibt es keine "Weiterentwicklungen" auf
dieser Welt; diese "Baureihe" wurde ersatzlos mangels
"Kundennachfrage" gestrichen.

> Fuer die Sichtweisen des 19. Jahrhunderts und die Handlunsgoptionen
> des fruehen 20. Jahrhunderts war die Sowjetunion mit dem Ziel einer
> staatlich gelenkten Industrialisierung erfolgreich.

"Erfolge" messe ich am Ergebnis, nicht an irgendeiner abstrakten
Aufgabenstellung "Ziel einer staatlich gelenkten Industrialisierung";
da ist ja schon das Ziel selbst wenig erfolgversprechend ...
Wenn ich ergebnisrelevante Wirtschaftsparameter (z.B. BSP pro Kopf)
mit denen kapitalistischer Länder zur gleichen Zeit vergleiche, dann
ist und bleibt die Sowjetunion der mit weitem Abstand am wenigsten
erfolgreiche Staat.

> Dass sich die
> Ziele spaeter gewandelt und der Ansatz und _Anspruch_ sich im Laufe
> der Zeit gewandelt haben,

Die meisten Ziele sind doch schon zu ihrer Zeit nie erreicht worden;
die Nicht- bzw. die nur scheinbare Erreichung der 5-Jahrespläne ist
doch sprichwörtlich!

> spricht nicht gegen den Erfolg in einer
> bestimmten Zeit.
> So wie der Kaefer in seiner Zeit ein Erfolg war und
> mit neuen Techniken und Ansaetzen durch andere Fabrikate ersetzt
> wurde, war auch die Sowjetunion fuer ihre Zeit ein Erfolg.
> Spaeter
> musste sie sich wandeln, um nicht auf der Stelle stehen zu bleiben.

Tja, nur waren, wie oben schon angemerkt, die "Nachfolgemodelle"
nicht nur sehr viel weniger erfolgreich, sondern irgendwann auch
nicht mehr vorhanden. Und von einem einzigen Automodell, um die
Analogie weiter zu bemühen, kann kein Unternehmen auf dauer leben.

> Deshalb wird aber der Erfolg zum damaligen Zeitpunkt nicht weniger.

Er "wird" nicht weniger, er ist es schon. Eine Episode, historisch
gesehen nur ein Liedschlag
Aber wir sind offenbar schon soweit, daß auch der Sozialismus in der
Sowjetunion nur für eine ganz bestimmte, historisch kurze Zeitspanne
-wenige Jahrzehnte nur- "erfolgreich" war.

> > Das war nicht mal ein Jahrhundert - historisch gesehen ist das eine
> > Episode, weiter nichts. Hier von "Erfolg" zu sprechen, halte ich doch
> > für arg euphemistisch ...

> Eben. Es war ein Zeitabschnitt, welcher aus heutiger Sicht ueberholt
> ist und deren Argumente, Debatten und Kaempfe schwer nachvollziehbar
> sind. Dennoch waren diese fuer die damalige Zeit erfolgreich.

Nun ja, das hängt, wie schon öfter erwähnt, von der Definition von
"Erfolg" ab. Es ist aber auch egal - für die heutige Zeit ist die
ganze Frage einfach irrelevant.

> > [...]
> >
> > > Unabhaengig davon war dies nicht der Punkt der Diskussion. Sie haben
> > > behauptet der Sozialismus sei nirgendwo erfolgreich gewesen und ich
> > > habe Ihnen anhand der Sowjetunion gezeigt, dass er Erfolge gehabt
> > > hat.
> >
> > Unter "Erfolg" verstehe ich wirklich etwas anderes ...

> Holzhuetten mit Dung-Befeuerung und Wasser aus dem Ziehbrunnen bei
> einer Lebenserwartung von 40 Jahren und Plattenbauten mit Fernwaerme,
> warmem Wasser aus der Wand und einer Lebenserwartung von 60 Jahren
> sind ein klarer Unterschied und letzteres Szenario kann man als
> Erfolg kennzeichnen.

Nein. Es ist eine Verbesserung, sicher. Aber wenn andere Systeme in
ähnlichen wirtschaftlichen Verhältnissen in der gleichen Zeitspanne
viel weitergehende Verbesserungen erzielten, dann rede ich nicht von
Erfolg.

> Auch wenn dieser Erfolg mit Millionen Toten
> erkauft wurde. (Aber auch die Entwicklung des Kapitalismus hat
> Millionen Tote gefordert, auch wenn diese ueber einen laengeren
> Zeitraum zumeist anderen Ursachen wie Kriegen und Migration
> zugeordnet werden.)

Nun, Kriege hat auch der Sozialismus im Laufe seiner Zeit reichlich
verusacht ...

Es bleibt das Fazit: Der "Erfolg" des Sozialismus war temporär, sein
Niedergang bis zur Auflösung folgte bald darauf; der Kapitalismus,
egal, was man von ihm halten mag, blüht und gedeiht mehr denn je. Auf
Dauer, auf längere Sicht, ist es der Kapitalismus, der erfolgreich
war.

[...]

> Da sie Sowjetunion als Epoche fuer Russland abgeschlossen ist, kann
> man hier eine entsprechende Bewertung schon vornehmen. Und diese
> lautet im Hinblick auf viele Indikatoren, dass die Entwicklung
> positiv verlaufen ist. Sicherlich war sie nicht so positiv wie
> propagiert, wie von den Akteuren gewollt und geplant.

Die eigene Planung nehme ich nicht als Vergleich. Sondern die Länder
und Regionen, die unter ähnlichen Vorraussetzungen um ein vielfaches
mehr erreichten, als die Sowjetunion.
Die Sowjetunion hatte alles: Rohstoffe, Naturschätze, Agrarflächen,
Boden, Menschen, alles in fast unbegrenztem Ausmaße; dafür sind die
Ergebnisse sehr mäßig.

> Dennoch war sie
> in einem kleinen Massstab erfolgreich.

Da diese ständig wiederkehrende Feststellung nur von der Definition
von "Erfolg" abhängt, werde ich sie nicht weiter kommentieren ...


> > Ein solcher Maßstab wäre höchstens dann akzeptabel, wenn es nicht
> > rundherum auf der Welt Gesellschaften, Staaten und Wirtschaftssysteme
> > gegeben hätte, die sich in der gleichen Zeit z.T. um ein Mehrfaches
> > besser entwickelt hätten, als der Sozialismus.

> Hier stehen wir vor einem methodologischen Problem. Wir koennen nicht
> sagen wie sich das zaristische Russland ohne die bolschewistische
> Machtuebernahme entwickelt haette, weil sich die Geschichte so nicht
> entwickelt hat. Deshalb ist jede wenn-aber-dann-Betrachtung reine
> Spekulation und Mutmassung.

Ich habe keine "wenn-aber-dann-Betrachtung" angestellt, sondern einen
realen Vergleich!

[...]

> und doch gab es enorme
> Unterschiede und den Entwicklungsergebnissen. Warum unterscheiden
> sich die Benelux-Laender so sehr?

Die Unterschiede zwischen diesen Ländern, so groß sie sein mögen,
sind vernachlässigbar klein, wenn man sie mit den Unterschieden
zwischen westlichen kapitalistsichen und östlichen sozialistischen
Ländern (bei ähnlichen wirtschaftlichen Parametern) vergleicht.

> Solange die Volkswirte und Wirtschaftshistoriker die Faktoren fuer
> eine positive Wirtschaftsentwicklung benennen koennen, nicht jedoch
> aber die Gruende fuer deren Beginn, ist eine Diskussion ueber das
> wenn-aber der Sowjetunion muessig.

> Wir koennen nicht sagen, ob sich Russland kapitalistisch besser
> entwickelt haette als als sozialistisches Modell.

Darum geht es nicht. Der Sozialismus ist vorbei. Der Kapitalismus
prosperiert hingegen ganz offensichtlich, er wird noch lange das
Wirtschaftssytem sein.

> Uns fehlt der
> Vergleich, weil es so nicht stattgefunden hat. Deshalb verbleibt als
> einzige Argumentationsoption die Betrachtung, ob Russland den Status
> quo erhalten oder diesen verloren hat.

Was spricht gegen den Vergleich mit der andern Großmacht? Die ganz
ähnliche Vorraussetzungen hatte, was Rohstoffe, Naturschätze,
Agrarflächen, Boden, Menschen etc. betraf?

> Dabei stellen wir fest, dass
> sich die Lebensbedingungen fuer den Grossteil der Bevoelkerung
> verbessert haben. Vielleicht haetten die Menschen in einem anderen
> System noch besser leben koennen. Kann sein.

Es ist sogar wahrscheinlich, da Menschen an anderen Stellen der Welt
zur gleichen Zeit tatsächlich schon besser gelebt haben.

> Da sie es aber nicht
> haben, kann der Erfolg und Misserfolg des Systems nur an dessen
> Ergebnissen gemessen werden. Und diese sind eindeutig.


> > - Und die es vor allem
> > heute noch gibt, die eben nicht krachend in sich zusammengebrochen
> > sind, z.T. unter reger Beteiligung der eigenen Bevölkerung, wie der
> > Sozialismus.

> Der Sozialismus war ein Instrument seiner Zeit. Er ist ueber lange
> Dekaden gekommen und auch nicht so krachend zusammengebrochen wie
> kolportiert. Das sind Legitimations-Phantasien einiger Westler.
> Die Sowjetunion erlebte systembedingt eine Stagnation seit Mitte der
> 1970er Jahre.

Also kein "krachendes Zusammenbrechen", sondern ein langsames
Niedergehen? Ob das jetzt so viel besser ("erfolgreicher") ist ...
Egal ob vorhergesehen oder nicht, ob Krise oder Zusammenbrechen - die
letzten Jahrzehnte des "Sozialismus" in der Sowjetunion waren
letzlich ein einziger Niedergang.

[...]

> Summe hat sich aber die Wohlfahrt der Mehrheit der Bevoelkerng in
> Russland verbessert. Anstatt als Analphabeten in einer
> Umverteilungsgemeinschaft mit einer Lebenserwartung von knapp 40
> Jahren zu leben, hat sich die Lebenserwartung einhergehend mit einer
> umfassenden Urbanisierung um gut 50 Prozent erhoeht. Andere Laender
> haben dies im gleichen Zeitraum nicht geschafft.

... in allen kapitalistischen westlichen Ländern waren derartige
Verbesserungen zur selben Zeit wesentlich weiter fortgeschritten ...

Gruss,
   TecDoc

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