Ansicht umschalten
Avatar von Rubashov
  • Rubashov

845 Beiträge seit 02.07.2000

Welcher Sklavenstaat?

Galgenstein schrieb am 5. September 2006 15:51

> das war nämlich die SU lange Zeit. 

Auch wenn das eine populaere Meinung bei Vertretern einer bestimmten
politischen Positionen ist - die Sowjetunion war nie ein
Sklavenstaat. Sollten sie anderer Meinung sein, so bitte ich Sie, mir
hierfuer Quellen/Zitate von anerkannten Historikern zu nennen.

> 20 Millionen, die man in Lagern
> schuften ließ, 

Fuer diese Zahl haette ich gerne eine Quelle. Ich bestreite nicht,
dass es in der Sowjetunion Arbeitslager gab - ich habe einen
Grossteil dieser Orte sogar persoenlich besucht - die Zahl von 20
Millionen moechte ich dann doch der historischen Korrektheit halber
belegt wissen.

> Abschaffung der bürgerlichen Freiheiten, Schauprozesse
> usw. Und Sie erzählen uns hier, dass dies der Morgen der Menschheit
> gewesen sei. 

Sie sollten lesen, nicht interpretieren. Ich habe nicht geschrieben,
dass die Sowjetunion "der Morgen der Menschheit" gewesen sei. Eine
solche Sichtweise liegt mir fern. Ich habe nur ihre kuehne
Behauptung, Sozialismus sei nirgendwo auf der Welt erfolgreich
gewesen, mit einer kurzen Darstellung widerlegt. Dies rechtfertigt
aber noch lange nicht, die Sowjetunion zu idealisieren/zu
daemonisieren.

> Ich vermute mal, dass in Ihrer Wahrnehmung die von Stalin inszenierte
> Hungersnot in der Ukraine, 

Dazu haette ich dann auch gerne Quellen. Warum? Weil sie behaupten,
die Hungersnot sei inszeniert und auf die Ukraine beschraenkt
gewesen. Entweder Sie wissen es nicht besser, oder Sie haben eine
sehr legere Ausdrucksweise, welche eine Diskussion ueber die
Geschichte der Sowjetunion sehr erschwert.

> mit mehreren Millionen Toten überhaupt
> nicht stattgefunden hat (das Getreide verfaulte auf den
> Verladestationen, während die Menschen zu Abertausenden krepierten).

Hier irren Sie - mehrfach sogar. Die Hungersnoete betrafen zum einen
nicht nur die Ukraine, sondern zu unterschiedlichen Zeiten fast alle
Regionen der Sowjetunion. Zum anderen ist dies kein
Alleinstellungsmerkmal der Sowjetunion, sondern kam auch im
Zarenreich regelmaessig vor. Sie sollten unter dem Begriff Witte und
Hungerexporte in einem guten Lexikon nachschlagen. Des weiteren sind
diese Art von Unterversorgungen Kennzeichen _aller_ nachholenden
Industrialisierungen unter diktatorischen Regimen. Es kommt in
staatskapitalistischen Systemen immer wieder zu Planungs- und
Allokationsfehlern in deren Folge Menschen Hungers sterben. Dies ist
kein exklusives Merkmal der Sowjetunion noch eines sozialistischen
Staatssystems. Darueber hinaus ist es historisch sehr schwierig, hier
Vorsatz nachzuweisen - im Gegensatz zu den Hungerexporten Wittes.
Aus den Hungersnoeten der Sowjetunion auf einen prinzipbedingten
Nachteil des Sozialismus zu schliessen, ist sehr mutig, da anhand der
Quellenlage schwer zu konstruieren und zu belegen.

> Selbst in Russland werden Sie keine Mehrheit mehr für die
> "glorreichen" alten Zeiten finden.

Waren Sie einmal in Russland? Bei meinem letzten Aufenthalt vor 3
Wochen habe ich genuegend Menschen getroffen, welche sehr wohl die
"gute alte Zeit der Sowjetunion" zuruecksehnen.
Unabhaengig davon war dies nicht der Punkt der Diskussion. Sie haben
behauptet der Sozialismus sei nirgendwo erfolgreich gewesen und ich
habe Ihnen anhand der Sowjetunion gezeigt, dass er Erfolge gehabt
hat. Bitte belegen Sie mir das Gegenteil indem Sie mir anhand von
Lebenserwartungen und Wohlfahrtsniveaus zeigen, dass es einer
Mehrheit der Bevoelkerung auf dem Gebiet der Sowjetunion 1980
schlechter ging als 1910. Waere dem so, dann koennten Sie ein
Scheitern des Sozialismus attestieren.

> Dem Argument, es hätte ohne die Sowjets besser gehen könne, versuchen
> Sie mit dem Hinweis auf unzulässige kontrafaktische
> Geschichtsschreibung zu begegnen. 

Das ist methodisch korrekt oder koennen Sie beweisen, dass es den
US-Buergern mit Sozialismus schlechter gegangen waere?
Kontrafaktische Geschichtsmodelle sind nett fuer die
Stammtisch-Diskussion, ausserhalb dieser sind sie irrelevant.

> Na ja, so kann man natürlich alles
> zur Besten aller Welten verklären. Aber schauen Sie doch einmal was
> aus Finnland im selben Zeitraum wurde. 

Na dann fangen wir doch einmal mit einem Vergleich der Ausgangslagen
1910 und der Situation 1980 an:

Gucken Sie sich bitte folgende Kennziffern fuer die finnischen
Landesteile und Gebiete in Zentralrussland, der Ukraine, des Fernen
Ostens und Zentralasiens an:

Kindersterblichkeit, Alphabetisierung, Anteil der Industriearbeiter
an der Gesamtbevoelkerung, durchschnittliche Lebenserwartung, Anzahl
der Personen je Quadratmeter Wohnraum, Anzahl der Aerzte je
Einwohner, etc.

Wenn Sie sich diese Zahlen aus den einschlaegigen Nachschlagewerken
herausgesucht haben, dann widerlegen Sie mir bitte, dass der
Staatskapitalismus der Sowjetunion nicht nachteilig fuer deren
Entwicklung war.
Darueber hinaus interessiert mich die Begruedung warum es den Finnen
besser gelungen sein soll sich zu entwickeln als den Russen.

> Die Ausgangslage dort war
> schlechter als in der SU (denn über welche Bodenschätze verfügt das
> Land schon) und doch hat es im selben Zeitraum seine frühere Macht um
> ein Vielfaches überflügelt.

Sie scheinen sich in der Geschichte Russlands nicht sehr gut
auszukennen und auch keinerlei Vorstellungen von den Dimensionen
dieses Landes zu haben. Wenn Sie schon dermassen vereinfachend
argumentieren, dann sollten Sie sich Estland als Beispiel waehlen.
Estland gibt einen noch sehr viel staerkeren Kontrast zwischen den
Entwicklungspfaden der ehemals zaristischen Provinzen ab. Ein solches
Beispiel waere aber auch nur fuer wenig belesene Zuhoerer/Leser
beeindruckend.

MfG

Nikolas Rubashov


Bewerten
- +
Ansicht umschalten