Das R und die Zeit

Die Reproduktionszahl 1 bedeutet, dass ein Infizierter einen anderen Menschen ansteckt. Es wird aber wenig darüber gesprochen, wann das geschieht. Die Grafik im Artikel nennt eine Generationszeit von 4 Tagen. Das wird wohl bedeuten, dass der Eine nach 4 Tagen jemanden ansteckt. Und nach weiteren 4 Tagen nicht mehr?

Es sollte klar sein, dass der Wann-Faktor eine extrem wichtige Rolle spielt. Wenn tatsächlich Einer nur Einen infiziert und dies nach 2 Tagen geschieht, ergibt sich ein ganz anderes Bild als wenn dies nach 10 Tagen geschieht. Wäre das ein Patient Null, so hätten wir bei 10 Tagen Dauer nach also 10 Tagen 2 Infizierte. Bei nur 2 Tagen Dauer wären es nach 2 Tagen 2, nach 4 Tagen 4, nach 6 Tagen 8, nach 8 Tagen 16 und nach 10 Tagen 32 Infizierte. Wenn das mal kein Unterschied ist, 2 oder 32 nach 10 Tagen.

Nun folgende Berechnung:

Für den 20.4. wurden 1775 neu erkannte Infektionen in D gemeldet. Es werden 148.453 Gesamtinfektionsfälle genannt. Davon 87.055 genesen, 5086 tot. Verbleiben 56.312 aktuell, aktiv Infizierte.

Wenn 56.312 aktiv Infizierte nach 4 Tagen je einen Menschen neu infizieren, dann müsste es durchschnittlich 14.078 Neuinfektionen täglich geben. Aber zuletzt wurden eben nur 1.775 gemeldet. Natürlich fehlt hier die Dunkelziffer. Aber wenn diese sowohl bei Aktiven als auch Neuinfizierten ähnlich ist, dann ändert das nichts am prinzipiellen mathematischen Problem.

Andere Rechnung: Wenn 56.312 aktiv Infizierte zu 1.775 erkannten Neuinfektionen täglich führen, dann würde das etwas vereinfacht bedeuten, dass es rund 32 Tage dauert, bis bei R=1 jeder der 56.312 Aktiven eine andere Person angesteckt hat.

Aber nach 32 Tagen ist man ja geheilt und längst nicht mehr ansteckend. Oder tot.

Mir scheint es sehr ernsthaft erforderlich, dass neben Politikern und Virologen als dritte Gruppe die Mathematiker stärker mitwirken sollten. Denn vielleicht kennen sich Politiker gut mit dem Regieren aus und Virologen mit Viren, aber beide nicht so sehr mit der Mathematik.