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  • Iuppitter

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Re: Noe

Theodor Groppe schrieb am 5. September 2009 19:02

> Ich glaube ja viel, aber das glaube ich nicht.

> A) In den Kulturwissenschaften resultiert der Glaube an die
> Aussagekraft so genannten 'harter' naturwissenschaftlicher Beweise
> einzig und allein aus Unkenntnis über deren Gewinnung. Wenn selbst
> DNA, die unter Top-Bedingungen gewonnenen und analysiert worden ist,
> wie im Fall des Phantoms von Heilbronn, zu katastrophalen falschen
> Schlussfolgerungen geführt hat, darf man solche Untersuchungen zur
> Kenntnis nehmen und dann sofort wieder vergessen. Nächstes Jahr
> gibt's neue Untersuchungen und neue Ergebnisse. Und wie das Kaninchen
> vor der Schlange erstarrt dann wieder alles vor Ehrfurcht vor der
> 'Wissenschaft'.

Nur weil ein Verfahren nicht hinreichend sorgfältig angewandt wurde,
wird es nicht gleich unwissenschaftlich!


> B) Nix genaues weiß die Wissenschaft also nicht, sprich 'nach dem
> Faktor, der die Herkunft der jetzigen Bevölkerung Europas erklären
> würde, suchen wir noch'. 

> Nun, vielleicht sucht sie einfach am falschen Ort. Die in den Augen
> echter Naturwissenschaft wohl als Pseudowissenschaft anzusehende
> Philologie untersucht das Thema 'Herkunft der europäischen
> Bevölkerung' bereits seit 250 Jahren auf einer viel näher liegenden
> Ebenen, nämlich über die genealogische Sprachverwandtschaft
> verschiedener europäischer und asiatischer Sprachen. Über das Thema
> ist viel Unsinn im Umlauf, im großen und ganzen kann man heutzutage
> aber mit hinreichender Sicherheit über Verwandtschaftsverhältnisse
> klare Aussagen treffen.

Die Verwandtschaft der Sprachen ist eine ganz andere Baustelle!
Sprachen können auch von vorhandener Bevölkerung angenommen werden.
So sind z.B. Finnen oder Ungarn genetisch ganz klar Europäer. Ihre
Sprache ist aber mit asiatischen Sprachen verwandt.


> C) Das läuft so ab, das man über gewisse verdächtige Begriffe,
> Beispielsweise altgr. *nyx*, lat. *nox* und sanskr. *nish* und die
> Kenntnis der systematischen Lautverschiebungen der einzelnen Sprachen
> gemeinsame Sprachwurzel gewinnt und anschließend vergleicht. Im
> vorliegenden Fall ist das einfach zu erkennen, in anderen Fällen hat
> das schon zu erbitterten Diskussionen & Fehldeutungen geführt, etwa
> um den Begriff *Lachs*.

> Alles in allem war die vergleichende Sprachwissenschaft in den
> letzten 100 Jahre ungeheuer produktiv, was den Nachweise von
> Verwandtschaftsbeziehungen angeht. So sind wir mit bestimmten
> afghanischen Stämmen wohl näher verwandt, als mit den Finnen.

Noch einmal: Sprachverwandtschaft und genetische Verwandtschaft sind
zwei Paar Schuh!


> D) Diese Form der Wissenschaft ist extrem zeitaufwendig und schaut
> für Ausstehende lahmarschig & dröge aus, d.h. man kann daraus eher
> keine knackigen Theorien bilden. Versucht worden ist das natürlich
> schon, die Ergebnisse waren aber schon immer mehr eine Projektion der
> eigenen Wünsche und Vorstellungen als wirklich beweisbare Fakten. 


Jede sorgfältig betriebene Wissenschaft ist zeitaufwendig und wirkt
daher träge!

Was aber auch wichtig ist: Die im Artikel beschriebene Untersuchung
betrifft einen Zeitraum, in dem der sprachwissenschaftliche Ansatz
mangels schriftlicher Quellen nicht verfügbar ist!
Die indogermanischen Völker, die heute die Mehrheit in Europa
stellen, sind erst im 3. und 2. vorchristlichen Jahrtausend
eingewandert. Über die Völker in der Zeit davor ist kaum etwas
bekannt. Niemand weiß, welche Sprachen damals gesprochen wurden, da
noch niemand die Schrift erfunden hatte!
Gut möglich, dass die Basken einen Rest dieser vorindogermaischen
Bevölkerung darstellen. Diese wären dann das älteste heute noch
existierende Volk in Europa.

Ansonsten gilt aber, dass Völker kommen und gehen. Es verschwinden
ganze Völker (z.B. die Festlandkelten) und neue Völker entsehen aus
der Verschmelzung von vorher unabhängigen Stämmen (z.B. die Franken).
Auch das heutige "deutsche Volk" wird irgendwann mit den
zugewanderten Völkern und ggf. Nachbarvölkern zu etwas Neuem
verschmelzen. In 1000 Jahren wird es wahrscheinlich die Völker, die
wir heute kennen, nicht mehr geben.

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