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  • Mueslinator

163 Beiträge seit 20.08.2009

"Insgesamt geht es uns nämlich gut in Deutschland."

Oder auch "Schlimmer geht immer", née "Fallacy of Relative Privation". Schon mein Papi hat mir beigebracht: Ruh' Dich nicht auf einem Vierer aus, nur weil es auch Sechser gegeben hat.

In den letzten beiden Legislaturperioden ist viel passiert, was eines Staates, wie Deutschland einer sein will, unwürdig ist. Erinnert sich noch wer an das an Idiotie grenzende Netzsperrengesetz? Das Beschneidungsgesetz? Oder, etwas aktueller, das Netzwerkdurchsetzungsgesetz und die Aufweichung der Grenzen für den Staatstrojaner, nur um mal ein bisschen an der Oberfläche zu kratzen?

Ich glaube nicht, dass sich die Deutschen generell (wie im Satz vor dem titelgebenden Zitat indiziert) von der Rhetorik der AfD kirre machen lassen. Der "Erfolg" dieser Partei fußt vielmehr in den Aktionen der restlichen deutschen Parteien, von denen, pardon my Preussisch, vermutlich nicht wenige Wähler die Schnauze gestrichen voll haben. Erwartet ihr allen Ernstes von mir, eine Partei zu wählen, die auf die ein oder andere Weise demonstriert hat, auf unser Grundgesetz zu pfeifen? Und nein, damit meine ich nicht primär die AfD.

Wie schon bei Hillary versus Trump: Die politischen Beobachter unterschätzen meines Erachtens ziemlich, wie viele "wir müssen diese Meute bremsen, bevor die noch mehr kaputtmachen!"-Wähler es gibt. Oder, mal von einem anderen Vektor aus gefragt: Was ist wahrscheinlicher? Dass knapp zehn Prozent der deutschen Wähler in den letzten Jahren so sehr verblödet sind, dass sie allen Ernstes der Alternative aus positivem Grundempfinden der Partei gegenüber ihre Stimme leihen ("Die haben Recht, und ein gutes Programm!")? Oder dass diese zehn Prozent von der Politik der letzten zwei Legislaturperioden derart angewidert sind, dass sie die etablierten Parteien von diesem Kurs schocken wollen? Wenn wir das Wieder-Erstarken der FDP (die ja diese zu Ende gehende LP aussitzen musste) mitbetrachten, dann müsste schon ziemlich bescheuklappt sein, um zu glauben, dass es ersteres ist.

Politik will ich nicht wählen unter dem Aspekt "geht uns ja eigentlich ganz gut, da können die ruhig noch ein bisschen rumwüten bevor ernsthaft was zu Bruch geht". Es gibt *genug* Baustellen in Deutschland, die wir *besser* machen könnten, wenn es eine Partei gäbe, die sich dafür interessiert. Aber welche Partei stärkt schon Bürgerrechte, wenn sie auch Smartphones abhören kann? Welche Politik kümmert sich darum, dass die Judikative ihre Arbeit richtig machen kann, wenn man die Arbeit auch auf Facebook, und für lau, meint, abschieben zu können? Welche Partei hat den Arsch in der Hose, zu sagen "ja, das Beschneidungsgesetz von 2012 - und damit auch unsere Entscheidung! - war Mist; Es verstößt gegen die Menschenrechte, das Grundgesetz, und wir kümmern uns darum, dass kleine Jungs in Deutschland rechtlich auch nicht schlechter dastehen als Hunde."?
Keine.
Und sowas soll ich wählen? Solchen Gestalten soll ich weiter zugestehen, mich zu regieren, Gesetze zu schaffen, die mich dann betreffen?

[edit: Wieder-Erstarken, nicht Wider-Erstarken... blamabel]

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (10.07.2017 19:43).

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