Also erstmal: ich finde es gut, dass sie das mit mir diskutieren, wir sind ja auch in vielen Hinsichten einer Meinung.
Ich will meinen Punkt hinsichtlich von "Parallelwelten" noch einmal deutlicher fassen:
1) Sie haben vielleicht von Nathanael Liminsky gehört: ehemaliger Fraktionsgeschäftsführer der CDU in NRW und Laschets Büroleiter, jetzt Chef der Staatskanzlei NRW. Er ist ultrakonservativ und steht dem Opus Dei nahe, er lehnt sexuelle Selbstbestimmung rigoros ab. Gehört er einer "Parallelwelt" an? Würde sich eine Politik gegen "Parallelwelten" auch gegen die zahlreichen "Parallelwelten" im Herzen des bundesdeutschen Staates richten?
Wie zB die unzähligen Polizist:innen, die allein in diesem und im letzten Jahr wegen extrem rechter Umtriebe aufgefallen sind. Was ist mit all jenen, die polizeiliche Informationen an Neonazis weitergegeben haben? Oder die Soldaten beim KSK mit ihrem Nazikult?
Was ist mit der Nähe von Verfassungsschutz und NSU-Milieu und Politikern wie Volker Bouffier, dem hessischen Ministerpräsidenten, der als einer von vielen eine Aufklärung aktiv verhindert hat?
Also wo genau fängt da eine "Parallelwelt" an und wo beginnt die Normalität?
2) Auf der anderen Seite gibt es auch viele linke Kommunen, Wohn- und Kulturprojekte oder kooperative Basisgenossenschaften, die Freiheit, Gleichheit und Solidarität einfach praktisch leben (wollen) und zeigen (wollen), dass sich diese Werte so tatsächlich umsetzen lassen.
Wenn die Abschaffung von "Parallelwelten" das politische Kredo ist, dann trifft es es diese Zusammenhänge auch und das wäre gegen die Grundrechte (die nicht allein Ihre Grundrechte sind; bei denen ein gewisser Interpretationsspielraum gewährt sein muss).
Erste Erfolge gegen die oben erwähnte extreme Rechte in den Behörden wurden in den letzten beiden Jahren erziehlt, weil Rassismus, Antisemitismus und Menschenrechts- und Demokratiefeindlichkeit zum Thema gemacht wurden. Wäre von "Parallelwelten" die Rede gewesen, dann wäre da rein gar nichts passiert. Es hätte nur noch mehr rassistische Polizeikontrollen und Razzien gegeben (bei denen dann nur ein paar unverzollte Zigaretten auftauchen) und mehr Mordanschläge wie in Hanau.
So langsam geht die öffentliche Debatte auch in die Richtung, explizit religiösen Fundamentalismus und den damit verbundenen Sexismus zum Thema zu machen, das nicht einfach nur mit "mehr Polizeistaat" als erledigt gilt, sondern dass insbesondere in der Schule eine besondere Problematisierung erfahren müsste, damit die jungen Generationen eine andere Perspektive bekommen.
Aber das Thema Religion unpopulistisch zu problematisieren, kann man leider von Parteien, die aufs Engste mit den Kirchen verknüpft sind, nicht erwarten. Die notwendige Neugestaltung des Verhältnisses von Religion und Staat lässt sich nicht mit der Beschwörung von "Parallelwelten" oder "-gesellschaften" erreichen, sondern mit einer Religionskritik, die fähig ist zum Differenzieren, Religionen nicht per se abwertet und gleichzeitig nicht an Schärfe gegenüber Fundamentalismen verliert.
Zuletzt lassen Sie mich allerdings noch bemerken, dass ich eine Sache definitiv als herablassend empfinde.
Ich persönlich bemitleide jeden, der seine Heimat nur darüber definieren kann, wo`s ihn in Sachen "guten Miteinanders", "lebensbejahender Architektur", "gutes Leben" und "zwischenmenschlicher Solidarität" im Schnitt am besten gefällt/gefallen hat.
So ein Mensch wird Zeit seines Lebens vergeblich auf der Suche nach seiner Heimat sein.
Heimat ist schlichtweg da, wo du aufgewachsen bist, wo du geprägt wurdest und wo du gelernt hast, was für dich gerecht und was unfair ist!
Wenn das "Heimat" ist, habe ich seit 1990 keine Heimat mehr - und die DDR wird auch nicht wiederkommen. So wie sie war, will ich sie auch nicht wiederhaben und die Baseballschlägerjahre der Nachwendezeit auch nicht.
Ihr Mitleid ist einfach nur herablassend und beleidigend und es ist bevormundend, dass Sie meinen, ich müsse da irgendetwas suchen. Das ist doch quasi-religiös und dieser Heimat-Religion gehöre ich nicht an. So ein Surrogat für wirkliche religiöse Suche und Erfahrung brauche ich nicht.
Wozu sollte ich mich überhaupt auf eine Suche nach etwas machen, dass es nicht mehr gibt? "Heimat" gehört einfach nicht zu meinem aktiven Wortschatz und wenn ich mich freuen will, wie ein Kind sich freit, wenn der Weihnachtsbaum angeht, dann lege ich z.B. so etwas auf:
https://discordanceaxis.bandcamp.com/album/jouhou