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  • Karl-Katja Krach

528 Beiträge seit 09.07.2019

Re: Strategie des inszenierten Tabubruchs und der inszenierten Läuterung

Das Maß ist jetzt voll, weil Wahlkampf ist und es den Grünen um die Seniorenposition in einer Schwarz-Grünen-Koalition geht.
Der Anlass ist vergleichsweise nichtig bei Palmers Bilanz, aber er bringt das Fass zum Überlaufen.
Die taz fasst es ziemlich gut zusammen:

Als der Tagesordnungspunkt „Abstimmung über ein Parteiordnungsverfahren gegen Boris Palmer“ aufgerufen wird, ist es schon Nachmittag. Der Landesvorsitzende Oliver Hildenbrand, in seiner stets verbindlichen Art das komplette Gegenteil von Boris Palmer, tritt vor das Mikrofon.

Erinnert daran, dass man ziemlich genau vor einem Jahr schon einmal über ein Parteiordnungsverfahren gegen den Tübinger Oberbürgermeister beraten habe. Damals ging es um seine Äußerung zu den Coronamaßnahmen. „Ich sag’s Ihnen mal ganz brutal: Wir retten in Deutschland möglicherweise Menschen, die in einem halben Jahr sowieso tot wären – aufgrund ihres Alters und ihrer Vorerkrankungen“, hatte Palmer damals im Fernsehen gesagt.

Danach beließ es die Partei beim Entzug der politischen Unterstützung und einer Aufforderung, die Grünen doch bitte zu verlassen. Vor einem Ausschluss waren die Grünen zurückgescheut, auch weil allen klar ist, wie zäh ein solches Verfahren ist.

Hildenbrand zählt weitere Entgleisungen Palmers auf. Wie er 2018 bei Facebook von rüpelhaftem Verhalten eines Radfahrers und seiner Hautfarbe darauf geschlossen hat, dass dieser ein Asylbewerber sein muss. Wie er es mit seiner Wortprägung vom „Menschenrechtsfundamentalismus“ auf die Liste der Unworte des Jahres gebracht hat. Er erwähnt Palmers Unmutsäußerungen über eine Werbekampagne der Bahn, an der der schwarze Koch Nelson Müller und die türkischstämmige Moderatorin Nazan Eckes beteiligt war. „Welche Gesellschaft soll das abbilden?“, fragte Palmer damals via Facebook.

Hildenbrands Liste von Palmers Ausfällen ist unvollständig, denn auch seine Redezeit ist beschränkt. Er erwähnt nicht, dass Palmer eine Liste mit auffälligen Flüchtlingen in seiner Stadt führen wollte und nach einem Vergewaltigungsfall vorgeschlagen hatte, Geflüchteten das Recht zu entziehen, einen DNA-Test zu verweigern. Nicht seine Forderung von 2016, gewalttätige Flüchtlinge in den syrischen Bürgerkrieg abzuschieben. Die Zahl der Fehltritte macht deutlich: Dieser irre Aogo-Palmer-Fall ist für sich genommen nicht das Anstößigste, was Palmer abgeliefert hat. Aber es bringt im Wahljahr das grüne Fass zum überlaufen.

Hildenbrand seziert Palmers Masche. Der erziele seine Aufmerksamkeit regelmäßig auf Kosten der Partei und folge dabei immer demselben Muster: Auf die Provokation folge eine Entschuldigung, aber auch der Hinweis, falsch verstanden worden zu sein. Dann kommt bald die teilweise Rücknahme der Entschuldigung, und dass man doch recht gehabt habe. Später setze Palmer mit neuen Provokationen nach. Das sei „die Kommunikationsweise der Populisten“, sagt Hildenbrand, „Palmer geht eindeutig zu weit, immer wieder zu weit. Das Maß ist voll.“

https://taz.de/Boris-Palmer-soll-die-Gruenen-verlassen/!5766161/

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