Der rigide Verbalmoralismus ist ein Import aus den usa. Dort bewegt sich die Auseinandersetzung um das Wort Nigger längst in Absurdistan. Gewisse Schwarze, etwa Rapper, verwenden es extensiv in ihren Texten, auch als Selbstbezeichnung, Weissen ist dagegen das Aussprechen mittlerweile streng verboten, auch wenn es in der Metaebene geschieht, z. B. um es zu thematisieren, wie ich es hier tue. Das kann die Stelle, vielleicht die Karriere kosten.
Nicht eine wie auch immer geartete Gesinnung entscheidet, sondern buchstäblich das Aussprechen der Lautfolge. Das erinnert stark an religiöse Gebote.
Palmer weiss als Parteimitglied um grüne Befindlichkeiten. Garantiert aneckende Äusserungen kommen so regelmässig wie Bundesligaspiele. Man argwöhnt, dass er weiss was er tut.
Seine Verteidigungslinie ist nicht ganz aufrichtig. Der inkriminierte Satz - der Rassismusvorwurf an Aogo - zielt primär nicht auf diesen oder andere unmittelbare Diskussionsteilnehmer, sondern auf die Woke-Kultur, bzw. diejenigen, die sie kritiklos vertreten. Sein Satz will sagen, 'Ihr macht euch lächerlich mit euren angeblichen Sprachempfindlichkeit.' Seine Aussage hat nichts Ironisches, sondern ist ein direkter Angriff auf - man würde sagen, bestimmte Exponenten seiner eignen Partei. Und prompt heulen die Gemeinten auch getroffen auf. Baerbock verteidigt nicht Aogo, sondern sich selbst, ihren eigenen moralisierenden Rigorismus, der dadurch sichtbar wird, Ausdruck erhält. Damit hat sie sich keinen Gefallen getan. Die Gelassenheit einer Kanzlerin hat sie vermissen lassen.
Das Ausschlussverfahren ist gerade jetzt das Letzte, was die Partei gebrauchen kann. Das ist natürlich auch Klingbeil bewusst, der daher gehörig Salz in die Wunde gestreut hat. Nun hat Palmer Aufschlag und kann den Wahlkampf beeinflussen.