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  • Robert Rabe

604 Beiträge seit 11.01.2002

Re: Moral ist nicht Ethik!

funkenforcer schrieb am 07.06.2024 02:26:

Moral teilt Menschen in Gruppen, die die etwas dürfen (herrschende Minderheit) und die die es nicht dürfen (beherrschte Mehrheit). So wird Herrschaft organisiert und wir kommen vom Naturrecht über das Familienrecht, zum Stammesrecht und Staatsrecht. Moral legitimiert und verklärt die Abtretung der Teile des Naturrechts an gesellschaftliche Instanzen und konstituiert, legitimiert und verklärt diese Herrschaft.

Das ist m.E. eine sehr eingeschränkte und instrumentalisierte Definition oder Darstellung von Moral.
Eigentlich ist Moral nur die - ggf. kulturell oder ideologisch geprägte - Vorstellung, was gut und was böse ist bzw. richtig und falsch.

„Du solltst nicht töten“ heisst ja nicht, dass niemand töten darf, sondern das diese Macht auf eine Gruppe (Miliz, Polizei, Armee) übergeht, die legitimiert dies Macht über alle anderen (beherrschte Mehrheit) ausüben darf.

Ich denke schon, dass z.B. das Gebot "Du sollst nicht töten" absolut gilt und nicht relativ. Daraus ergibt sich ja z.B. die Pflicht zur Kriegsdienstverweigerung auch dann, wenn es strafbar ist oder die Ablehnung der Todesstrafe im Rechtssystem.
Auch die genannten Gruppen Miliz, Polizei, Armee dürfen nicht töten - wenn sie es tun, wird das in der Regel bewertet und (von wem auch immer) sanktioniert (innenpolitisch i.d.R. juristisch).

„Du sollst nicht stehlen“ heisst auch nicht, dass niemand stehlen darf, sondern das eine legitimierte Gruppe (Sklavenhalter, König, Kapitalist) sich die Mehrarbeit aneignen darf und über deren Verwendung bestimmt.

„Du sollst nicht stehlen“ wird m.E: tatsächlich in der Praxis unterschiedlich definiert - Steuern zu zahlen wird in der Regel nicht als Diebstahl angesehen und auch die Aneignung des Mehrwerts (...ich nehme an, das war hier eigentlich gemeint?) ist sicher nur dann moralisch kritisierbar, wenn der Mehrwert ausschließlich privatisiert wird.
Und die Forderung ist auch hier absolut und ohne Ausnahme.
Alles, was als Diebstahl definiert ist, gilt als "böse" - die Mitnahme des Lollis im Laden genauso wie die (rechtlich illegale) Privatisierung von Steuermilliarden im CumEx-Umfeld.

Daher mag es als Widerspruch bei den Grünen (oder wem auch immer) erscheinen, ist aber völlig normal, wenn sie abstrakt Frieden fordern und als Legislative das Kriegsbeil schwingen.

Ich glaube, das Problem ist nicht, abstrakt Frieden zu fordern, sondern in geradezu orwellscher Manier zu behaupten, dass die Politik der Aufrüstung letztlich dem Frieden dient - allerdings bin ich mir da fast sicher, dass dies gegenwärtig durchaus eine Mehrheitsmeinung hierzulande ist (also dass wir aufrüsten müssen, um uns vorm bösen (-> Moral!) Russen zu schützen und dass die guten (-> Moral!) Amerikaner uns dabei nur helfen wollen...).
Und nein, ich finde das nicht "normal", und schon gar nicht "völlig"-

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