ratwol22 schrieb am 07.06.2024 16:32:
Anders im Fall der Ukraine: Die finale Wahl der Mittel war ein Krieg, der - um bei den Worten des Autors zu bleiben - den friedlichen Interessensausgleich ausgeschlossen hat und die Hoffung darauf konterkrariert.
Dieser Krieg hat die Randbedingungen komplett verändert. Es wäre fahrlässig und ignorant, mit dem Interessensausgleich an der Stelle weiter zu machen, wo er abgebrochen worden ist.
Russland hätte zweifelsohne seine Ziele auch anders verfolgen können, von daher relativiert sich der kriegsverbrecherische Aspekts des russischen Angriffs nicht durch etwaige Interessen Russlands.
Soweit so schlecht.
Etwas anderes ist aber, wie der Rest Europas reagiert. Steht die Welt wirklich in Frage, nur weil Russland einen Krieg führt?
Dieser Krieg ähnelt in seinem Verlauf und vielen anderen Umständen auffällig einem WK1.
Interessanterweise wird dieser im Nachhinein gar nicht so sehr aus einer Perspektive einer völkerrechtlichen Moral diskutiert. Wer zuerst angegriffen hat ist absolut zweitrangig. Der Krieg als solcher wird abgelehnt.
Dabei hat es an moralischen Begründungen für den WK1 auf keiner Seite gefehlt, ja waren sogar Treiber für eine tatsächliche Kriegsbegeisterung, es den anderen, den Bösen nun endlich mal zeigen zu können.
Die Verlierer damals waren keine Nationen, sondern die armen Soldaten in den Schützengräben. Interessanterweise hat es den Adel sogar am schwersten getroffen, der damals ja mitgekämpft hat. Ansonsten aber wie üblich, das arme Fussvolk.
Die Gewinner waren die Rüstungsfirmen.
Wer sagt uns jetzt eigentlich, dass die hierzulande vorherrschende Perspektive Gut gegen Böse im Ukrainekrieg nicht eher eine Illusion ist und es stattdessen tatsächlich ein Krieg der Kriegsinteressenten ist? Für Russland kann man das mit Fug und Recht annehmen.
Putin selbst gewinnt mit einem Krieg an Popularität in Russland. Und vor allem der russische MIK.
Nur gibt es einen MIK nicht nur in Russland. Die fünft größten Rüstungskonzerne der Welt sitzen in den USA.
Geht es uns denn überhaupt um die Ukraine?
Wenn es um Empathie für die Ukraine ginge, dann würden die ukrainischen menschlichen Verluste nicht niedriger priorisiert als ein evtl. in Kauf zu nehmender Landverlust.
Ergo, es geht hauptsächlich gegen Russland, die Ukraine wird dabei eher als Werkzeug gesehen.
Ihre Frage nach den Interessen und ob die überhaupt noch verfolgbar sind, müsste m.M. nach so beantwortet werden, dass man die tatsächlichen Interessen hinter den moralischen Begründungen überhaupt erst mal freilegen sollte.
Das gilt für die russische Gesellschaft, aber für unsere ebenfalls.