"Progressiv" ist ein rhetorisches Werbeplakat, das sich sowohl Populisten der sozialistischen als auch der neoliberalen Seite zu eigen machen können. Genau deshalb haben die Kinder der Chicago Boys sich ja auch neoliberal genannt. Es gibt in der Geschichte kein progressives Telos, zu dem man hinstreben müsse, und wir müssen diese Fehleinschätzung, an der die US-Democrats immernoch weiter untergehen, nicht zu uns kopieren. Es ist möglich, dass es beispielsweise besser sei, für oder gegen Abtreibung zu sein oder für oder gegen Sozialhilfsmaßnahmen zu sein oder für oder gegen Steuersenkungen für Reiche zu sein, aber nichts davon ist "progressiver" als sein Gegenstück, weil es kein für alle einheitliches Telos/Endziel gibt. Es ist rhetorisches, sophistisches Mittel, das in sich nichts politisch inhaltlisches sagt, aber in Überredekunst versucht, die eigene Position als irgendwie moralisch besser einzurahmen, weil "Fortschritt" als Wert an sich gelte. Aber wie gesagt, Neoliberalismus beansprucht dieses Wort genauso wie eine nur sehr zaghaft sozialdemokratische Tendenzen zeigende Democratic Party der USA.
P.S.
Eine neoliberale und ausgesprochen christliche Partei in Norwegen heißt "Fremskrittspartiet", wörtlich "die Fortschrittspartei".
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (03.12.2024 15:11).