Nach den kriminellen Privatisierungen der Jelzin-Zeit wurde in diesem Jahrhundert der Anteil des Staates am produktiven Sektor der russischen Volkswirtschaft sukzessive ausgebaut. Chodorkowskis Yukos wurde von Rosneft übernommen. Rosneft ist zwar auch an der Börse notiert, aber dominierender Anteilseigner ist der russische Staat.
Hinsichtlich des staatlichen Anteils an der Bruttowert-Schöpfung Russlands gibt es im Westen sehr unterschiedliche Schätzungen. Im Mittel liegen sie wohl bei 50 %.
Der überragende Staatsanteil bedeutet jedoch nicht, dass es in Russland kein Oligarchentum mehr gibt. Die Superreichen - ein grosser Teil hat allerdings seit längerem ausländische Wohnsitze wie Staatsangehörigkeiten - blieben nicht ohne politischen Einfluss und profitierten lange auch von einer sie begünstigenden Steuergesetzgebung. Aber immerhin: 2021 ist Russland vom einheitlichen Einkommenssteuersatz von 13 % abgegangen, Gutverdienende zahlen 15 %. Im Unterschied zum Oligarchen-Musterstaat Ukraine, wo auf Dividenden nur 5 % Steuern anfallen, werden Dividenden in Russland normal besteuert.
Für Russland und viele andere Länder ist inzwischen nicht mehr der Neoliberalismus Modell, sondern die erfolgreiche Entwicklung des staatsinterventionistischen Kapitalismus Chinas. Auch in China gibt es Milliardäre, aber die Konzerne stehen unter politischer Steuerung.
Eine umgekehrte Entwicklung muss für den Westen konstatiert werden. In den USA gibt es inzwischen zahlreiche Einzelpersonen, die über Vermögen von 100 Mrd. Dollar und mehr verfügen (s. Forbes-Liste der 500 Reichsten). Gepaart mit der Vorstellung von US-amerikanischem Exceptionalismus und dem Anspruch globaler Dominanz, setzen diese Reichsten der Superreichen ihr Vermögen zunehmend ein, um Regierungen gefügig zu machen, "Farbrevolutionen" zu initiieren, Medien zu korrumpieren. Demokratische und sozialstaatliche Errungenschaften werden abgebaut, transnationale Bürokratien, wie aktuell die EU, werden zu Autokratien.