Da ist es mehr als verwunderlich, dass man 30 Jahre nach dem Übergang von der Planwirtschaft zur Marktwirtschaft jetzt eine "Systemrivalität" auch mit China ausruft. Das zeigt nur, dass die Verantwortlichen in Brüssel und Berlin überhaupt keinen Plan haben.
Nee, also bei allen richtigen Fragen und Einschätzungen, die man im Interview so findet, gibt es da doch grobe Fehleinschätzungen, angefangen bei dem obigen Zitat.
Die Sowjetunion hat ihr System des Staatssozialismus nach Jahrzehnten des "Totrüstungswettlaufs" und der politischen wie wirtschaftlichen Bekämpfung des "kommunistischen" Erzfeindes durch den Westen zu den Akten gelegt, aus der praktisch-dämlichen Einsicht, dass das System der kapitalistischen Freiheit das Staatswesen dann doch 'erfolgreicher' mit den angestrebten Machtmitteln bedienen würde als es eine Planwirtschaft mit hinreichender Volksversorgung je könnte. Die wurde als verkehrter Weg zu nationalem Reichtum gestrichen, wie auch vom Westen gefordert, und der alleingültige Maßstab der Kapitalverwertung hielt Einzug.
Von "Systemrivalität" kann da wirklich nicht mehr die Rede sein, von kapitalistischer u.v.a. politischer Rivalität aber umso mehr. Wenn im Westen noch das "System"-Anhängsel bemüht wird, dann zur zweckdienlichen Verurteilung Russlands als "immer noch" totale Abweichung von unserem Hochglanz-System. Bei China sieht's vielleicht noch ein wenig anders aus.
Die Schlussfolgerung Flassbecks - "Das zeigt nur, dass die Verantwortlichen in Brüssel und Berlin überhaupt keinen Plan haben." - liegt in zweierlei Hinsicht falsch. Politische Vorhaben und "Pläne" zur Eindämmung der Sowjetunion gab es seinerzeit und seitdem zur Eindämmung und Herabstufung Russlands reichlich. Und auch wenn das "keinen Plan haben" mehr auf ein "unvernünftiges Agieren" abzielen sollte, liegt es daneben, weil es sich eine Art einvernehmliche "Einbindung" oder "Integration" Russlands vorstellt, in ein oft idealisiertes freiheitliches "Modell" des friedlichen, globalen Handels, das dann als "vernünftig" betrachtet werden könnte.
In der rauhen inter-nationalen Wirklichkeit geht's allerdings um nationale Interessen und da kann man schon lange bei einigen EU-Mitgliedsländern beobachten, dass es mit der gefeierten Mitglieds-Euphorie schnell vorbei ist, wenn die "schwächeren" Konkurrenzgeschädigten, wie Griechenland u.a., durch wirtschaftliche Konkurrenz und geforderte EU-Anpassungsmaßnahmen noch weiter von den Gewinnern geschädigt werden, sodass diese Länder zunehmend nur noch auf Einkünfte aus EU-Fördergeldern und Ausgleichszahlungen setzen können. Und Tourismus vielleicht.
Bei den Ost-Satelliten kommt dazu, dass in ihnen alles wirtschaftlich umgekrempelt werden muss(te), damit sie mit meist unrentablen, konkurrenzunterlegenen Produktionsüberbleibseln überhaupt erstmal so hinprivatisiert werden, dass sie und ihre Bürger importierte Westprodukte kaufen können, also wenigstens als Absatzmärkte etwas taugen. Ansonsten bleibt ihnen die Rolle als Billiglohn-Land mit Zulieferbetrieben für Kabelbäume oder EU-Wanderarbeitern für die deutsche Fleischindustrie oder das Pflege-Geschäft.
Solche Auswirkungen der EU-Integration, so "katastrophal" sie erscheinen, sind keineswegs die Folge von unvernünftiger "planloser" Politik, sondern der Bedingungen, die die EU, bzw. der westliche Kapitalismus stellen.
Es ist daher auch keine "Lösung" am Ende des Artikels einen "Austausch auf gleicher Augenhöhe", eine "vorsichtige, gesteuerte Integration" in ein "vernünftiges Währungssystem" zu fordern. Für solche modellhaften Vorstellungen müsste ja der gültige Kapitalismus selber ziemlich umgebaut werden, und wie sich am Fall der DDR-Übernahme zeigte, gibt es da keine* Bereitschaft für rücksichtsvolle, sozialverträgliche "Experimente". Da ist der westliche Kapitalismus sehr konsequent: Entweder - oder.
* Im Unterschied zu den neuen östlichen Beitrittskandidaten gab es bei der DDR allerdings den entschiedenen deutschen Entschluß zur Finanzierung des "Aufbau-Ost", damit auch der Teil möglichst als gleichartiger, lohnender Kapitalstandort funktioniert. Einen solchen Verschuldungswillen gibt es natürlich für die Ost-Staaten nicht und schon gar nicht für eine "vorsichtige" Einbindung Russlands.