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  • Zahlen helfen

mehr als 1000 Beiträge seit 03.05.2020

Die typisch deutsche Lust an der Angst oder doch nicht?

Diese Angst hat allerdings auch viel damit zu tun, dass sie geschürt wird. Dass die Obrigkeit in Deutschland, die Regierungen, Behörden und auch die Medien viel mehr an Angstmache interessiert sind...

Völlig korrekt, aber warum ist das so? Der landläufige "Leerdenker" (den Begriff kannte ich bisher nicht) inklusive seiner "mitleerdenkenden" Partner von Links und ganz Links kennt natürlich die Antwort: die Regierung will eine Diktatur errichten, wobei die Meinungen ja bekanntlich auseinander gehen, ob wir nicht sowieso schon seit Jahrzehnten, wenn nicht zumindest gefühlten Jahrhunderten, in einer Merkel-Diktatur leben, oder ob die erst mit Corona eingeführt werden soll. Es ist auch noch nicht ganz klar, wer eigentlich der Diktator sein soll, weil neben den diversen üblichen Verdächtigen der Verschwörungsliteratur inzwischen auch Bill Gates und die WHO heiße Kandidaten sind. Aber egal, Diktatur lautet die Losung auf allen Seiten, um die Details kümmert man sich dann später.

All das ist natürlich im wahrsten Sinn des Wortes "leer gedacht" und man könnte herzlich darüber lachen, wenn die Umstände nicht so traurig wären. Die Lösung ist aber eine ganz einfache, die völlig ohne globale Verschwörungen auskommt. Im vergangenen Frühjahr ist aufgrund der Bilder aus Bergamo die Angst in große Teile der Bevölkerung und insbesondere in die wahlentscheidenden Teile, nämlich die Ü50, Rentner und Pensionäre, gefahren. Und eine anständige deutsche Obrigkeit nimmt natürlich ihre Bevölkerung (= Wähler!) in so einer Situation in den Arm, trocknet die Tränen und verspricht ihr, dass ihr (der Bevölkerung) nichts Böses widerfahren wird, wenn sie nur ganz brav ist und die Obrigkeit tun lässt. Und eine anständige deutsche Bevölkerung -- inklusive der Richterschaft -- atmet dann erleichtert auf und lässt die Obrigkeit schalten und walten, wie diese es gerne hätte.

Im vergangenen Frühjahr hat das aus verschiedenen Gründen auf mehreren Ebenen sehr gut funktioniert. Es gab praktisch keine Corona-Toten über die normale Sterblichkeit hinaus, weshalb sich die dankbare Bevölkerung dachte, dass die Obrigkeit ihren Job sehr gut gemacht hat, und fest die Augen vor den unschönen Konsequenzen des Handelns der Obrigkeit verschloss. Die Medien bemerkten, dass nichts so sehr die Auflage oder die Klicks steigert als eine schöne Krise. Und Teile der Obrigkeit bemerkten sehr rasch, dass das dankbare Volk gewillt ist, seine Obrigkeit in den Himmel zu loben (sprich: mit Wählerstimmen zu überschütten). Das ganze Spiel funktioniert aber nur, wenn der Bevölkerung ständig bewusst ist, dass sie sich in einer furchtbaren und existenziellen Gefahr befindet. Also muss ständig Angst geschürt werden und es muss alles verhindert werden, was die Angst auf objektivierbare Grundlagen und Zahlen stellen würde. Genau deshalb haben wir bis heute keine vernünftigen Zahlen zur "schlimmsten Krise seit dem WK 2", nur Appelle und Beschwörungen, dass die Krise aber wirklich ganz schlimm sei. Nur wenn der Bevölkerung jeden Tag aufs Neue klar gemacht wird, in welcher Gefahr sie schwebt, wird sie auch der Obrigkeit für ihre Rettung dankbar sein. Die Tatsache, dass es im letzten Frühjahr praktisch keine Corona-Toten gab, ist einerseits natürlich gut, andererseits für die Herren Söder und Spahn aber auch ganz blöd, weil die Bevölkerung sich womöglich denkt, dass es ja gar keine Gefahr gibt, vor der man sich fürchten muss und für deren Beseitigung man den Herren Söder und Spahn dankbar sein sollte. Der Teil der Angst habenden Bevölkerung, der gerne auf TP und woanders postet, hat deshalb auch den Begriff "Präventionsparadoxon" mühsam auswendig gelernt.

Im Herbst passierte genau das, was alle echten Fachleute vorher gesagt hatten, nämlich dass die Fallzahlen wieder explodierten. Das ist nämlich jeden Herbst so, wenn die Atemwegsinfektionen (z.B. Grippe) zunehmen und Corona ist entgegen der Behauptung von der Einzigartigkeit (Angst!) nur eine weitere Atemwegsinfektion. Und so allmählich begann ein Teil der Bevölkerung daran zu zweifeln, ob die Obrigkeit wirklich so einen tollen Job macht. Also musste das Schüren der Angst verstärkt werden und alle die, die nur mal kurz meinen "Moment mal", müssen als Ketzer und Ungläubige ausgegrenzt werden. Der bisherige Gipfelpunkt auf dem Weg der Kirchengründung und der Trennung der Bevölkerung in wahre Gläubige, denen die Erlösung versprochen ist, und dem in der Hölle schmorenden Rest, war dann das quasireligiöse Gedenken, das unserem werten Bundespräsidenten eingefallen ist (sagt er zumindest).

Unnötig zu erwähnen, dass Schauspieler, die mit Mitteln der Satire diesen Mechanismus des Angst Schürens aufdecken und anprangern, sehr störend sind und daher auch entsprechend behandelt werden müssen.

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