PippiLangstrumpf schrieb am 12.08.2023 09:54:
Wir und alle anderen europäischen Staaten sind so oder so betroffen. Dagegen können wir uns gar nicht wehren, sondern dies liegt einfach an der Geographie.
Wenn die Ukraine oder Teile davon von Russland besetzt oder gar annektiert werden, werden nicht nur die nach Europa geflohenen Menschen nicht in die Ukraine zurückkehren, sondern es werden sogar noch Millionen mehr kommen, um der russischen Besatzung zu entfliehen.
Mal ganz vom schlechten Signal abgesehen, dass eine Nuklearmacht seinen kleineren, nicht nuklear bewaffneten Nachbarn erobert hätte, dem es sogar noch Sicherheitsgarantien gegeben hatte. Eine Aufrüstungsspirale wäre die Folge und auch dies würde Deutschland betreffen. Entweder bewaffnet sich Deutschland nuklear oder unsere Nachbarn oder alle.
Ich möchte vorallem auf den letzteren Absatz eingehen, zum ersten daher nur ein paar kurze Worte.
Von den Ukraine-Flüchtlingen werden rund 75% bleiben, vielleicht minimal weniger. Viel mehr werden nicht fliehen, wahrscheinlich wird es, nach einem Frieden, auch eine Flucht gen Russland /russisch besetzter Ukraine geben.
Da sind die Renten und Löhne deutlich höher, dafür Energie und anderes günstiger. Abgesehen davon, in der Ukraine sind 25 Mio Menschen etwa, das wäre ein lösbares Problem.
Nun aber zum Fleisch.
Was du schreibst ist im Prinzip richtig, und es wäre eine gute Argumentation, gäbe es da nicht diese Masse an Fällen, an denen wir es waren, die genau das taten, was du kritisierst.
Da wären die Fälle in Süd- und Mittelamerika, Nicaragua, Grenada, usw., dazu Iran-Contra, Irak, Serbien, nochmal Irak, Syrien, Lybien, Vietnam, Kambodscha usw..
Wenn wir nun das hohe Lied der Gewaltfreiheit singen, hat das was von einer Hure, die das hohe Lied der Unschuld singt, oder ein Metzger, der Veganismus predigt.
In einer optimalen Welt hättest du recht, da sich das aber gegen uns richtet, und wir die Könige der Aggression sind, erscheint es heuchlerisch.
Wir haben diese Situation geschaffen, im Gefühl, dass Amerika "die einzige Weltmacht" (Brzezinski) ist, und wir es uns leisten können.
Unsere Gegner waren übrigens meistens Verbündete Russlands.
Man sieht aber in Russland noch etwas anderes.
Der Euro-Maidan und auch schon die Orange Revolution waren massiv aus dem Westen unterstützt, einem Plan von eben jenem Brzezinski (der sich 2014 noch davon distanzierte) und anderen folgend, denn "die Ukraine ist für Russland wie Robin für Batman, und die müssen wir ihr wegnehmen" (Brzezinski). Diese Argumentation ist angreifbar, keine Frage, denn wir haben "nur" geistig/moralisch und mit Geld unterstützt. Aber letztlich ist halt auch unsere Argumentation zu diesem Krieg angreifbar, denn man könnte den Beginn auch auf den Euro-Maidan legen, denn dort fielen die ersten Schüsse. (Wer geschossen hat, ist bis heute unklar, was wir wissen, die Schüsse wurden von einem Gebäude aus abgegeben, das die Opposition besetzt hielt, und wir haben Funkprotokolle, bei denen Berkut-Scharfschützen nach dem Schützen suchen.
Das spricht zumindest dagegen, dass dies ein offizieller Polizei-Schütze war, denn er befand sich ab dem Zeitpunkt in akuter Lebensgefahr.
Die oberste Aufgabe eines Sniper ist Countersniping, dazu braucht es keinen Befehl, das gilt immer.)
In einer regelbasierten Welt hättest du recht, nur haben wir diese Welt beschädigt, mit diversen, fragwürdigen Militäreinsätzen. Jetzt tun wir überrascht, dass sich die Russen das rausnehmen, was wir tun.
Gefällt mir das? Nein, aber ich war auch gegen die andren Einsätze.
Kann ich Russland nun als ultimatives Übel sehen?
Wer heute Russland bekämpfen will, muss Saudi-Arabien und wer auch im NS gesprengt hat, ebenfalls angreifen. Evtl. auch die Türkei, oder was hat die in Syrien verloren?
Entweder man macht es richtig, oder garnicht. Und in diesem Fall ist, im Moment, garnicht die bessere Idee.
Was wir tun sollten ist etwas völlig anderes.
Ein friedliches Europa schaffen. Eines, in dem Atomwaffen und größere Offensivverbände mindestens 1000 Km von einer Grenze zwischen Russland und der Nato liegen, eines, in dem es ein Organ gibt, dessen Befugnisse und Regeln alle europäischen Staaten mitgeschrieben und anerkannt haben.
Wir müssen mit Russland eine Sicherheitsarchitektur schaffen, die alle Bedürfnisse abdeckt.
Russland ist zu groß, um in bestehende Strukturen eingebunden zu werden, und wir haben mit Osteuropa die Erfahrung gemacht, dass das nur begrenzt gut funktioniert, wir müssen etwas ganz Neues schaffen.