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  • Daniel Unruh

mehr als 1000 Beiträge seit 07.05.2000

Re: Diskussionsstil

demon driver schrieb am 12. Februar 2002 16:14
> Eine vernünftige Diskussion erschöpft sich schließlich nicht in
> der bloßen Aufzählung und Aneinanderreihung von
> Argumenten, sondern beinhaltet mitunter auch das Bewerten,
> Gegenüberstellen, Relativieren derselben. Wer dazu nicht in der
> Lage ist, sollte möglicherweise tatsächlich besser gar nicht
> diskutieren.

Damit wären die meisten öffentlichen (insbesondere politischen)
Diskussionen disqualifiziert. Zwar ist völlig richtig, daß es bei den
Diskutanten nicht zu einem Erkenntnisgewinn kommen kann, wenn diese
grundsätzlich ablehnen, die Argumente der Gegenseite in ihr eigenes
Modell der Wirklichkeit zu integrieren und stattdessen weiterhin auf
ihrem Weltbild beharren.
Dennoch kann eine solche Minimaldiskussion, die letztlich nur aus der
Aneinanderreihung von Monologen besteht, wenigstens den Zuhörern neues
Wissen vermitteln, da sie die Standpunkte aller Seiten kennenlernen und
sich selbst eine Meinung bilden können.

In den Heise-Foren kommt es selten genug zu einer "richtigen"
Diskussion. Das Bewerten von Argumenten beschränkt sich dann meist auf
"ich habe recht, du nicht." Wenn ich gelegentlich den Ansatz einer
ernstgemeinten Diskussion übersehen und ignoriert habe, so tut mir dies
leid.


> Ich meinte meine ursprüngliche Frage, ob Du Deine hier
> geäußerten Ansichten tatsächlich ernst meinst [...]

Überzeichnete Äußerungen können nicht ernst gemeint sein. Wer
behauptet, "alle Soldaten sind Mörder," meint dies (in der Regel) nicht
wörtlich. Der Gegenbeweis wäre allzu leicht - in der Bundeswehr gibt es
genug Soldaten, die keiner Fliege etwas zuleide tun könnten, selbst
wenn sie wollten.
Auch Tucholsky wollte mit dieser ins extreme überspitzten Formulierung
lediglich zum Nachdenken anregen. Wer ihm deswegen ans Bein pinkeln
will, macht sich nur selbst lächerlich.

Die geäußerten Thesen sind meist grob vereinfacht, und wie ich
feststellen mußte, leider manchmal auch mißverständlich formuliert. Um
bei dem Beispiel Saudi-Arabiens als Hort des Bösen zu bleiben - es ist
unbestritten, daß Amerikas Staatsfeind Nr.1 aus diesem Land stammt. Es
scheint auch gesicherte Erkenntnis, daß sein Terrornetzwerk von diesem
Land aus finanziert wurde. Afghanistan kann es schwerlich gewesen sein,
die haben ja nicht einmal genug zum Beißen. Ebenfalls unbestritten ist
die in Saudi-Arabien praktizierte extreme Form des Islam, die auch nach
Afghanistan exportiert wurde.

Meine These lautet, daß man, sofern die Terrorbekämpfung ernst gemeint
ist, gegen den Quell des Terrors in Saudi-Arabien vorgehen muß. Das
aber ist ohne Anwendung extremer Mittel kaum möglich. Selbst wenn die
dortigen Herrscher nur durch Geheimdienstarbeit und eine "demokratische
Opposition" gestürzt werden könnte, würde das entstehende Chaos eine
große Instabilität in der Region bewirken, was letztendlich doch einen
militärischen Einsatz notwendig macht.
Vermutlich ist ein schneller militärischer Einsatz (ohne vorherige
Destabilisierung) die beste Wahl, damit die Saudis (also die
Herrscherfamilie) nicht noch auf die Idee kommen, sich während ihres
Todeskampfes (nicht wörtlich nehmen!) mit Terror gegen die USA und
Europa zu wehren.


> Rechstextreme Thesen sollten auch weiterhin rechtsextreme Thesen
> genannt werden dürfen... ob darüberhinaus auch gleich einem
> Individuum der Vorwurf des Rechtsextremismus gemacht werden muß,
> hängt dann schon noch davon ab, inwieweit er sich mit diesen
> Thesen identifiziert...

Schön. Man sortiert also die Thesen in Schubladen ein: rechtsextrem,
linksextrem, liberal, anarchistisch, sozialistisch...
Und dann? Was bringt es?

Einige Deppen haben Noam Chomsky in die Kategorie "antisemitisch"
einsortiert. Meiner Meinung nach ist das ausgesprochen dumm; es
verhindert eine sachliche Auseinandersetzung mit seinen Thesen und
drängt ihn nur noch mehr in eine Märtyrerrolle.

Wenn also auf die Argumente eines MIT-Professors eingegangen werden
kann, statt ihn in eine Schublade zu stecken, warum ist dies mit
anderen Menschen nicht möglich? Vielleicht, weil sie nicht in das
eigene Weltbild passen?


> > Mit Ordnungsfanatikern, die grundsätzlich alle Menschen fein
> > säuberlich kategorisieren, läßt sich nur schwer diskutieren.
> > Sie sind meist extrem unflexibel. Aber das sei nur am Rande
> > bemerkt - auf den Leser trifft dies natürlich nicht zu.

> Oha, mit einem hastigen Nachsatz jetzt aber nur ganz knapp dem
> eigenen Verschubladungsvorwurf entkommen...

Wieso? Leute, die grundsätzlich nach dem ersten Satz mit dem Lesen
aufhören, sollten sich durchaus angesprochen fühlen.


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