Da sind zuviele Faktoren, die sie beeinflussen und zuviele weiße Flecken, wo gar nicht gemessen wird. Die Schätzungen sind auch bloß Annahmen, die versuchen die Faktoren und weißen Flecken zu kalkulieren.
Die Statistiken für Indien bezweifel ich grundsätzlich, da ich nicht denke, dass da viel Mühe und Geld aufgebracht wird, verstorbene Menschen aus den unteren Kasten oder Dörfern zu obduzieren und statistisch zu erfassen.
Bei manchen Staaten weiß niemand, wie politisch gesteuert die Statistiken sind. Insofern bleibt die Pandemie statistisch eine black box, auch in Deutschland, wo genannte Faktoren auf die Statistik einwirken.
Statistik birgt eh stets die Gefahr, Menschen zu verdinglichen. Zu sagen, wir haben in 2020 weniger Influenza- und Verkehrstote, dann könnte man ja das Mehr an Coronatoten hinnehmen, da ja sich so die Statistik ausgleicht, ist komplett unempathisch und zeigt bloß den autoritären und deformierten Charakter eines so denkenden Menschen.
Keine black box sind jedoch die direkten Erfahrungen mit der Pandemie. Sei es Norditalien oder NYC letztes Jahr, oder Brasilien und Indien in diesem. Die Pandemie birgt viele Risiken: sei es das Alter, seien es Long-Covid-Symptome, seien es die Überlastungen des Gesundheitssystems, seien es die Mutationen. Eine rasche Covid-Durchseuchung ist eine Katastrophe, das zeigt die Erfahrung. Niemand kann mit Sicherheit ausschließen, dass Covid-Infektionen nicht sein Leben treffen könnten, sei es direkt jemanden selbst (Erkrankung und Tod, Long-Covid, keine medizinische Versorgung im Notfall etc.) oder indirekt durch Familie, Freunde, Kollegen, Nachbarn. Das zu leugnen halte ich für dumm, dagegen sprechen die globalen Erfahrungen.
Selbstverständlich können einzelne Maßnahmen kritisiert werden und ich gehöre auch zu denjenigen, die wollen, dass Nebenwirkungen von Maßnahmen aufgezeigt und diskutiert werden, dass eine Pandemie nicht nur das Elend von Erkrankten und der drohende Kollaps des Gesundheitssystems bedeutet. Gesundheit ist ein relatives Gut, dessen Aspekte seit jeher und auch in Zukunft stets in Vor- und Nachteile abgewogen werden müssen. Alles andere wäre nicht nur totalitär, es wäre absurd. Und politisch findet auch dauernd dieser Abwägungsprozess statt. Mit der Nebenwirkung eines Hin und Her.
Diese Abwägung wird jedoch aus mehreren Gründen erschwert. Pandemieleugnung erschwert sie genauso wie moralische Panik. Meiner Erfahrung nach ist die deutsche Gesellschaft besonders hysterisch, wenn sie sich in einer Krise befindet. Das weiter historisch auszuführen ist hier nicht Platz genug. Kennzeichen der Hysterie sind einerseits der Wahn, der Merkelstaat wäre Hitler-faschistisch, weil er sich in der Krise und nach Abwägung für bestimmte Maßnahmen entschieden hat, grundsätzliche Pandemieleugnung eingeschlossen. Andererseits zeugt es von Hysterie, wenn aus Gründen der empirischen Dringlichkeit der Einführung, Aufrechterhaltung oder Verschärfung von Maßnahmen selbige nicht hinterfragt werden sollen. Dazu gehört auch die Leugnung, dass Darstellungen von Nebenwirkungen der Maßnahmen sinnvoll sind.
Beide gegensätzliche Pole verhindern einen Abwägungsprozess, wirken deshalb totalitär. Ich plädiere deshalb für Hysterieselbstkontrolle.