Trenkle suggeriert, dass Externalisierung des Werts mit dem Kapital überhaupt erst gesetzt und erweitert werde. Das erscheint mir vielfach unhistorisch: Auch Feudalstaaten integrierten z. B. über Steuern das organische Gesellschaftsgeschehen in die vorkapitalistische Wertlogik und grenzten es gleichzeitig durch die ungleiche Verteilung von Reichtum und Macht aus. Z. B. das Wachstum der Haushaltsgeräte in den letzten hundert Jahren und der Ökotechnologien in den letzten fünfzig Jahren verweist eher auf Integrationstendenzen als auf Externalisierungstendenzen. Gleichwohl ist dem Wert unmöglich, tatsächlich alles bloß seiner Logik zu subsumieren, weil er als Abstraktion von im Naturzusammenhang existierender Gesellschaft nicht ohne deren mehr oder weniger lebendige Konkretion existieren könnte, die immer mehr bleibt als ihre falsch-vergesellschaftende Abstraktion. Internalisierung und Externalisierung des Werts gehen historisch eher Hand in Hand, sind komplex ineinander verschlungen.
Marx hat an vielen Stellen auf Wertabspaltung hingewiesen, ohne dass er das meines Wissens begrifflich scharf bestimmt hätte. Im Begriff der notwendigen Arbeit z. B. steckt eher das Überleben der Klasse der Proletarier_innen als das Überleben eines einzelnen Teils des Proletariats, Familienverhältnisse werden von ihm in diesem Kontext teilweise sehr breit diskutiert oder auch Residuen von Sklavenhaltergesellschaft innerhalb kapitalistischer Weltvergesellschaftung. Abstrakt systematisch ist die Wertabspaltung am ehesten im Fetischbegriff angelegt, in dem implizit klar gesagt ist, dass der Wert seine eigene Abspaltung als irrationale Rationalität, Kommensurabilität des Inkommensurablen, gesellschaftliche Dinglichkeit und dingliche Gesellschaftlichkeit etc. ist. Die Eigentümlichkeiten der Äquivalenzform thematisieren Wertabspaltung als Substanz des Werts. Stofflich gedacht erscheint Wertabspaltung systematisch-abstrakt am ehesten in der Untergrabung der Springquellen allen Reichtums, siehe z. B.:
In der Sphäre der Agrikultur wirkt die große Industrie insofern am revolutionärsten, als sie das Bollwerk der alten Gesellschaft vernichtet, den "Bauer", und ihm den Lohnarbeiter unterschiebt. Die sozialen Umwälzungsbedürfnisse und Gegensätze des Landes werden so mit denen der Stadt ausgeglichen. An die Stelle des gewohnheitsfaulsten und irrationellsten Betriebs tritt bewußte, technologische Anwendung der Wissenschaft. Die Zerreißung des ursprünglichen Familienbandes von Agrikultur und Manufaktur, welches die kindlich unentwickelte Gestalt beider umschlang, wird durch die kapitalistische Produktionsweise vollendet. Sie schafft aber zugleich die materiellen Voraussetzungen einer neuen, höheren Synthese, des Vereins von Agrikultur und Industrie, auf Grundlage ihrer gegensätzlich ausgearbeiteten Gestalten. Mit dem stets wachsenden Übergewicht der städtische Bevölkerung, die sie in großen Zentren zusammenhäuft, häuft die kapitalistische Produktion einerseits die geschichtliche Bewegungskraft der Gesellschaft, stört sie andrerseits den Stoffwechsel zwischen Mensch und Erde, d.h. die Rückkehr der vom Menschen in der Form von Nahrungs- und Kleidungsmitteln vernutzten Bodenbestandteile zum Boden, also die ewige Naturbedingung dauernder Bodenfruchtbarkeit. Sie zerstört damit zugleich die physische Gesundheit der Stadtarbeiter und das geistige Leben der Landarbeiter.(324) Aber sie zwingt zugleich durch die Zerstörung der bloß naturwüchsig entstandnen Umstände jenes Stoffwechsels, ihn systematisch als regelndes Gesetz der gesellschaftlichen Produktion und in einer der vollen menschlichen Entwicklung adäquaten Form herzustellen. In der Agrikultur wie in der Manufaktur erscheint die kapitalistische Umwandlung des Produktionsprozesses zugleich als Martyrologie der Produzenten, das Arbeitsmittel als Unterjochungsmittel, Exploitationsmittel und Verarmungsmittel des Arbeiters, die gesellschaftliche Kombination der Arbeitsprozesse als organisierte Unterdrückung seiner <529> individuellen Lebendigkeit, Freiheit und Selbständigkeit. Die Zerstreuung der Landarbeiter über größre Flächen bricht zugleich ihre Widerstandskraft, während Konzentration die der städtischen Arbeiter steigert. Wie in der städtischen Industrie wird in der modernen Agrikultur die gesteigerte Produktivkraft und größre Flüssigmachung der Arbeit erkauft durch Verwüstung und Versiechung der Arbeitskraft selbst. Und jeder Fortschritt der kapitalistischen Agrikultur ist nicht nur ein Fortschritt in der Kunst, den Arbeiter, sondern zugleich in der Kunst, den Boden zu berauben, jeder Fortschritt in Steigerung seiner Fruchtbarkeit für eine gegebne Zeitfrist zugleich ein Fortschritt in Ruin der dauernden Quellen dieser Fruchtbarkeit. Je mehr ein Land, wie die Vereinigten Staaten von Nordamerika z.B., von der großen Industrie als dem Hintergrund seiner Entwicklung ausgeht, desto rascher dieser Zerstörungsprozeß.(325) Die kapitalistische Produktion <530> entwickelt daher nur die Technik und Kombination des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, indem sie zugleich die Springquellen alles Reichtums untergräbt: die Erde und den Arbeiter.
(zitiert aus http://www.mlwerke.de/me/me23/me23_483.htm#S528)
Untergrabung der Springquellen geht in der historischen Kapitalentwicklung damit einher, den gesellschaftlichen Stoffwechsel mit, in und durch Natur "systematisch als regelndes Gesetz der gesellschaftlichen Produktion und in einer der vollen menschlichen Entwicklung adäquaten Form herzustellen", dies selbstverständlich wesentlich in der Form von Wertvergesellschaftung mitsamt deren konkreten Abspaltungen hinsichtlich z. B. Sorgetätigekeiten und Ökologie. Von der Utopie her gedacht hat das Kapital für Marx die historische Aufgabe, die Produktivkräfte derart zu entfesseln, dass ein Verein freier Menschen in einem harmonischen Verhältnis zum Naturzusammenhang möglich wird, in dem weder Wert noch dessen Abspaltung wäre.
Im Begriff der Wertabspaltung lassen sich tatsächlich im Prinzip alle Kernmomente seiner Kritik diskutieren: Fetisch, Ausbeutung, vom Wert abgespaltene Residuen, insbesondere die stofflichen und emotionalen Qualitäten der Springquellen allen Reichtums, nicht zuletzt auch der Krisenbegriff, der aus der inneren Abspaltung des Werts von sich selbst genauso resultiert wie aus der Untergrabung der Springquellen.
Eigentlich könnte Trenkles Artikel eine Vorlage für sehr viele interessante Diskussionen abgeben. Die tp-community scheint das aktuell aber nicht zu sehen oder nicht zu wollen. Etwas schade, m. E.