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  • ic61

98 Beiträge seit 02.04.2022

Der ukrainische Nationalismus und seine FreundInnen

Ihre leidvolle Geschichte, über viele Jahrhunderte unter wechselnder Herrschaft als Zankapfel und Protektorat benachbarter Mächte, trägt die Ukraine schon im Namen. Insofern fällt es leicht, den im 19. Jahrhundert entwickelten und inzwischen verwirklichten Wunsch ihrer Einwohner nach einem unabhängigen ukrainischen Staat nachzuvollziehen.

Als Kondensat ihrer Geschichte umfasst die Ukraine allerdings de facto ein multiethnisch und (in Maßen) multikulturell besiedeltes Staatsgebiet. Eine tragfähige Nationalidee, die ein nachhaltiges Selbst-Bewusstsein der in diesem Lande lebenden Menschen als Gemeinschaft von Ukrainern befördern will, müsste deshalb ebendieser Tatsache Rechnung tragen und integrierend ausgerichtet sein - insbesondere sich rassistischer und/oder kultureller Diskriminierung strikt enthalten.

Was die real existierenden ukrainischen Nationalisten hingegen taten und tun, war und ist leider das genaue Gegenteil:
Von der mehr oder minder rückwirkend ersonnenen Konstruktion einer uniformen, wider die historischen Tatsachen scharf von anderen Nachfahren der Kiewer Rus abzugrenzenden ukrainischen Ethnie über die Vertreibung und Ermordung u.A. litauisch- und polnischstämmiger Einwohner und die teilweise aus eigenem Antrieb betriebene Kollaboration mit den dezidiert antislawischen deutschen Besatzern bis hin zur aktuellen Diskriminierung russisch-, rumänisch- und ungarischsprachiger Minderheiten.

Die sprachenpolitische Ausgrenzung großer Bevölkerungsteile, seinerzeit auch als "Ukrainisierung" bezeichnet, wurde bereits von den EU- und NATO-Lieblingen Juschstschenko und Timoschenko betrieben. Mithin ist sie nicht als Reaktion auf die (jüngeren) sezessionistischen Tendenzen erklärbar, sondern hat jene ganz erheblich angefacht und die innere Spaltung des Landes vertieft.

Von wegen "europäische Werte": Es war Janukowitsch, der sich in seinem Spagat zwischen Ost und West um eine Vermittlung zwischen den divergierenden Regionen und Interessen bemühte und 2012 die offizielle Anerkennung der Minderheitensprachen im Sinne der (von der Ukraine ratifizierten) Europäischen Charta durchsetzte - gegen die wütenden, teilweise handgreiflichen Proteste der vorgeblich so EU-affinen Opposition.

Und wie reagierte die EU? Sie hofierte und finanzierte seine Gegner, welche, selbst 2014 durch einen verfassungswidrigen Putsch an die Macht gelangt, die Anerkennung der Minderheitensprachen 2018 für "verfassungswidrig" und damit nichtig erklären ließen.

Insofern sollten wir Andrij Melnyk für seine undiplomatisch offenen Worte dankbar sein: Sie führen jedermann vor Augen, wes Geistes Kinder die Bundesregierung mit unseren Steuermilliarden alimentiert und nun auch noch mit Waffen beliefert.

Von mir aus kann frau das "wertebasierte Außenpolitik" nennen - allerdings ist der ihr zugrunde liegende Wertekanon hierzulande seit gut 77 Jahren außer Gebrauch.

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