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  • wdi

mehr als 1000 Beiträge seit 16.02.2000

Wer sich unreflektiert auf Piaget beruft....

"Neuere Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass die kognitive
Entwicklung bei Kindern schneller verläuft, als Piaget in seinen
experimentellen Studien herausfand. Kleinkinder erwiesen sich als
viel kompetenter in ihrem Denken und Schlussfolgern über die
physische Welt. So erreichten sie relativ früh ein ähnliches
Begriffsverständnis wie Erwachsene. Auch hatten sie bereits viel
früher als von Piaget angenommen ein Verständnis von psychischen
Phänomenen, konnten also z.B. zwischen realen Dingen und mentalen
Gebilden wie Gedanken, Träumen und Erinnerungen unterscheiden. Ferner
wurden sehr große interindividuelle Unterschiede in der kognitiven
Entwicklung ermittelt, was gegen die von Piaget vertretene
Universalität seines Stufen-Modells spricht. Schließlich ließen sich
Kinder in ihrer kognitiven Entwicklung viel stärker von außen
beeinflussen, als dies laut der vor allem auf Reifung fußenden Lehre
von Piaget möglich sein sollte - deshalb wurde diesem auch
"pädagogischer Pessimismus" vorgeworfen."

Die Position der Interviewten hingegen scheint komplett auf dem Stand
der Wissenschaft von ca. 1975 (vor 40 Jahren!), kurz vor Piagets Tod,
stehengeblieben zu sein, und alle Kritik an Piaget und neuere
Resultate komplett zu ignorieren. Das ist absurd, gerade in Hinsicht
auf Medien, die zu Zeiten Piagets noch überhaupt nicht existierten. 

Ich diagnostiziere einen kritischen Fall von Klassikerverliebtheit
(siehe auch: Freud, Marx, etc.) und wette, einer der beiden hat mal
eine schwer erkämpfte Diplom- oder mindestens Seminararbeit über
Piaget geschrieben und zitiert ihn jetzt bei jeder möglichen und
unmöglichen Gelegenheit.

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