Ansicht umschalten
Avatar von sennahoj

mehr als 1000 Beiträge seit 17.07.2001

Re: Aquaristik

blu_frisbee schrieb am 10.11.2020 21:54:

sennahoj schrieb am 10.11.2020 21:19:

ich stelle mir aber ernsthaft die frage,
was man einer ins vollautomatisierungszeitalter erwachsenden generation
sinnvoller weise als bildungsinhalte mitgeben kann

Wie geschrieben: Komplexe Systeme.
Konrad Lorenz hat zu Aquaristik geraten.
Nichtlineare Phänomene.
Lesch sagte, die Physik ist ungeheuer erfolgreich beim Entschlüsseln einfacher Systeme gewesen aber für komplexe Systeme haben wir nicht die Mathematik.

Und genau das ist halt die Herausforderung. Wie kann man bei den Kids die mentalen Voraussetzungen dafür schaffen, etwas verstehen zu können, für das man die Werkzeuge des Verstehens selber ja noch gar nicht kennt.

Aquaristik wenn man das nun so versteht, dass ein Aquarium ein ökologisches System darstellt und man darin Aspekte der komplexen Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Teilsystemen beobachten kann...
Ok, das habe ich als Kind auch mal gemacht. Irgendwann hatte ich aber keine Lust mehr mich drum zu kümmern und damit verwandelte sich das vordem von mir alimentierte offene System (schließlich hatte ich regelmäßig Futter hinein gestreut) in ein geschlossenes System (na ja stimmt auch nicht schließlich lief die Heizung ja weiter).
Am Ende lebte dort im Dschungel aus Wasserpflanzen und Algen an den Scheiben nur noch eine Saugschmerle, die vordem auch kein Problem damit hatte einige der anderen Fische zu fressen.
Das war aber auf jeden Fall ein ziemlich stabiler, wenn auch einfacher, Zustand des komplexen Systems. Wobei dieser dann ja biologisch betrachtet auch nur temporär stabil war, so ganz ohne Reproduktion der Fauna.
Ernsthafte Aquarististen beobachten und gestalten allerdings nur von Außen extrem gestörte Systeme, in denen ein von ihnen gewünschter Zustand mit großen Aufwand stabilisiert wird.
Ich weiß also nicht recht, was der Lorenz mit seiner Empfehlung nun im Sinn hatte.

Ich bin ja schon froh daß die Kanzlerin über iirc Quantenchemie promoviert hat und
die e-Funktion geistig durchdringt.

So weit ich das überschaue ist die e-Funktion aber auch immer nur temporär. Und meist beschreibt sie die Dynamik ganz zu Beginn der Übergangsfunktion zwischen zwei (quasi)stabilen Systemzuständen.

Wenn nun der Lesch Recht hat, dann nützt das Wissen der Kanzlerin über QM und e-Funktion wenig beim Verständnis der Probleme der Komplexität.
Und Wissen hat mitunter ja die gefährliche Nebenwirkung, dass man die Wirklichkeit dann durch einen Filter betrachtet, der von diesem Wissen gestaltet ist.
Alles bestehende Wissen ist doch eher wie eine „lineare“ Approximation und alle daraus abgeleiteten Weltbilder simplifizierende Projektionen darauf.

Was kann man den Kids also anderes beibringen als den Zweifel an Allem.
Doch wie ist Zweifel in einem Vermittlungsprozess positiv rückzukoppeln?
Zweifel muss doch damit er nicht zu einem Zweifeloportunismus wird, durch negative Rückkopplung verstärkt werden.

Überdies entsteht mit einem universellen Zweifel auch mehr und mehr Handlungsunfähigkeit.

Was ma ja sonst von Juristen und BWLern eher nicht erwarten kann.

Von den Juristen kann man im besten Fall eine gute Kenntnis über die vereinbarten gesellschaftlichen Regeln erwarten.
Aber da gibt es erst einmal keine unveränderlichen Gesetze wie in der Physik oder der Biologie großer Systeme.
Wobei doch wohl auch ein praktikabler Gesetzeskanon gewissen Naturgesetzen gehorchen muss, da ansonsten die Durchsetzungskosten der gesellschaftlichen Ordnung zu groß werden.
Das ist Dynamik komplexer Systeme, wie in einer Herde.
Es gibt sowas wie Beharrungsträgheit und also lässt sich die Bewegungsrichtung nicht per Dekret oder Befehl instantan ändern.
Zwischen den verschiedenen möglichen Systemzuständen müssen also die Übergangsfunktionen bedacht sein, nicht dass man nach einer Destabilisierung in einem Zustand ankommt der schlechter ist als derjenige der vorher bestand und dazu noch sind die Transformationskosten zu bedenken.
Und dazu habe ich nun bisher nicht viel an schlüssiger Theorie gefunden.

Aber noch immer bleibt die Frage offen, was konkret die Lerninhalte für die heranwachsende Generation sein müssen, damit die darüber auch nur ansatzweise nachdenken können. Derweil gleichzeitig aber auch noch weiterhin ein stabile lebenserhaltende Basisproduktion bestehen bleibt.
Das ist ein wenig wie ein Chirurg der sich dazu entscheidet ein wenig am eigenen Gehirn herum zu operieren.

Wie designt man ein politisches System, da gibts ein paar tausend Jahre Erfahrung und wie managed man hochdifferenzierte Arbeitsteilung wenn der Treiber nicht mehr Geldvermehrung ist.

Ein paar tausend Jahre Erfahrung mit der Organisation von hochdifferenzierter Arbeitsteilung ohne ein zumindest in großen Teilen von egoistischen Interessen getriebener Grundströmung?
Dann habe ich wohl die ganze Geschichte der evolutionären Entwicklung auf diesem Planeten verschlafen.
Aber gut.

Nehmen wir das Geld einfach mal als den universellen Wertträger und sehen dies in Analogie zum Blut im Körper. Die Funktion des Blutes ist die Versorgung der Zellen mit Energie. Und es ist vor allem der Fluss des Blutes, der dabei Alles am Leben hält.
Bei jedem Beobachter in einem Organ entsteht der Eindruck, dass das Blut immer nur in eine Richtung strömt und aus der Extrapolation dieser Beobachtung wird das Modell einer Akkumulation des Blutes in einer Region die in der Richtung liegt in die das Blut fließt.
Ok das ist so ein wenig das altes Bild, das von einem römischen Senator dem rebellischen Plebs erzählt wurde. Nur das es damals der Magen was, dem all Wohltaten zukamen, für deren Beschaffung die Muskeln sich in ständiger Tätigkeit befanden.

Weil: Der einzige Einwand gegen Kommunismus, den ich wirklich ernst nehme ist, daß er nicht skaliert.

Ich habe mit dem Kommunismus nicht einmal in kleinen Gruppen gute Erfahrungen oder Beobachtungen.
Aber neben dem Einwand der Schwierigkeiten bei der Skalierung, hätte ich dann ja noch das Problem der Übergangsdynamik vorzubringen.
Unter der Voraussetzung der Möglichkeit dass ein Kleingruppen Kommunismus möglich ist, wäre mir eine Hochskalierbarkeit aber durchaus vorstellbar.
Die funktionierenden nach Innen gestalteten kommunistisch Lebensgemeinschaften müssten halt einfach nur die in ihnen verwirklichte Lebensqualität nach außen deutlich sichtbar machen und in einem Netzwerk Cluster von Individuen diese einander so zuführen, dass die dabei entstehenden emotionalen Konflikte minimiert werden.
Eine Art Antidschungelcamp, sodass es beim Casting nicht um das maximale Potential für Trashunterhaltung geht, sondern um Harmonisierung.
Mit ein paar nicht auf maximalen materiellen Wohlstand fixierten Individuen, ist das doch sogar auf Harz VI Konsumptionsniveau jederzeit möglich.

Oder soll man gleich Komplexitätsreduktion machen damit die übern Kopf gewachsene Sache wieder beherrschbar wird?

Wenn man den Kopf in den Sand steckt und das macht man ja wohl mit Komplexitätsreduktion, dann wächst einem doch jedes Problem schnell über den Kopf.
Ok, das ist nur ein Spruch, aber der ist einfach zu gut um ihn hier auszulassen.
Nein, die Komplexitätsreduktion ist sogar eine (Le[sb]ens)notwendigkeit. Unser ganzes Sinnensystem ist darauf aufgebaut im Strom der Informationsunendlich[k(th)]eit zwischen relevanten und irrelevanten Strukturen zu unterscheiden und möglichst nur das wahrzunehmen, was der Vitalfunktion förderlich ist.
Allerdings ist diese Vitalfunktion ja keine zeitliche Konstante.

Letzteres (Undurchschaubarkeit) war die Hauptkritik von Marx.

Letzteres (Undurchschaubarkeit) war ja auch schon die Haupterkenntnis des Sokrates.
Wobei dieser es aber vor allem auf sich selber bezogen hat.

Ausbeutung und "Ungerechtigkeit" sind zwar auch schlimm

Wenn ein Menschen per Gewalt und dazu zähle ich auch die Hungerpeitsche, dazu gezwungen wird, einem anderen zu Willen zu sein, ok, das ist schlimm, aber Ausbeutung ohne den Einsatz derartiger Gewaltmittel setzt dann doch wohl Einvernehmen voraus.
Wer für seine Konsumsucht bereit ist sich in einer Ausbeutungssklaverei zu verschleißen wird doch nicht ungerecht behandelt.
Und das macht jede revolutionäre Argumentation zumindest in den Gesellschaften des Konsumismus halt etwas schwierig.

aber letztlich sind die Bolschewiki daran gescheitert daß sie einen besseren Kapitalismus hinkriegen wollten. Das Selbstorganisatorische kriegt der Kapitalismus auch nur durch Verschwendung.
Ständig wird Kapital fehlalloziiert. Im Kleinen gibts Pleite. Im Großen Krise.

Ja klar, die Organisation jedes des Produktionsprozesses ist mit Kosten verbunden.
Und die Organisationskosten werden in genau dem System minimal sein, in dem die Organisationsform mit den mentalen Strukturen der daran beteiligten Menschen resoniert.
Da nun aber nur sehr wenige Individuen über den Tellerrand ihres Alltags hinausschauen, erleben sie Dissonanzen dann eher in der Gegenwart und reagieren darauf.
Für die großen Krisen, auch wenn diese absehbar sind, haben sie keinen Blick.
Warum also nicht an den Hängen des Vesuvs siedeln, wenn dort die mit Vulkanasche durchsetze Erde besonders fruchtbar ist?

Bei den letzten intervenierten Notenbanken mit unvorstellbaren Summen und ich hab Zweifel obs das nächste Mal reicht (sie müssen faule Wetten wieder gut stellen damit die Zahlungsketten nicht reißen)..

Darüber lohnt es sich einmal im Bezug auf die Metapher mit dem Blut nachzudenken.
Das Geld ist doch nur ein Transportmedium für eine Art von gesellschaftlichem Zusammenha[(lt)(ng)] und dient im Nebeneffekt noch dazu eine hierarchische Ordnungsrelation zu definieren. Sein Absolutbetrag ist jedoch ohne jede Bedeutung.
Es ist viel mehr der Fluss des Geldes (immer schön von unten nach oben) der den Prozess am Laufen hält.
Wenn die Zigllionen da ganz oben angekommen sind, kann man sie dort einfach in den Reißwolf stecken, oder mit einem Faktor multipliziert unten wieder einspeisen.

Die tatsächlichen Prozesse gestalten sich als Material- und Informationsströme also dem lebenserhaltenden (gesellschaftlichen) Stoffwechsel.
Na ja und auf dieser Ebene kann das System dann auch, wie nun gerade, mächtig ins Schlingern geraten, da es als solches ja ein offenes Untersystem innerhalb des ebenfalls offenen System der Biosphäre ist.

Und welche Fähigkeiten müssen den Kindern nun vermittelt werden, damit sie sich in einem solchen System mit Multilayerstrukturen orientieren können?

Bewerten
- +
Ansicht umschalten