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mehr als 1000 Beiträge seit 10.01.2003

Diskriminierung

Das Wort wird gern, regelrecht inflationär bemüht. Jeder fühlt sich irgendwie benachteiligt, eben diskriminiert, wenn es nicht nach seinem (oder ihrem) Kopf geht. Weil das so ist, bemühen sich eine ganze Reihe dem Gefühl nach diskriminierte Gruppen, diese durch schrille Forderungen nach Extrawürsten abzubauen.

Aufgrund der aktuellen politischen Situation in der Türkei ist durchaus die Frage berechtigt, ob die doppelte Staatsbürgerschaft für Deutschtürken erhalten oder ausgesetzt werden soll. Entsprechend rufen die Betroffenen "Diskriminierung" - und hätten womöglich recht, wenn es ein Grundrecht für eine doppelte Staatsbürgerschaft gäbe. Diese gibt es offensichtlich nicht, denn die doppelte Staatsbürgerschaft kann nicht jedermann erwerben, sondern nur Staatsbürger bestimmter Nationen, darunter eben die Türkei. Damit ist die doppelte Staatsbürgerschaft aber ein Privileg, sozusagen "positive Diskriminierung" ggü. all jenen, die aufgrund verschiedenster Gründe keine zweite Staatsbürgerschaft erwerben dürfen.
Mir fehlen leider die rechtlichen Grundlagen, wann und wie eine doppelte Staatsbürgerschaft zustande kommen kann, ob es bilaterale Verträge sind oder ob ein einfacher Gesetzesentwurf genügt - von daher äußere ich mich hierzu nicht weiter.

Es sollte jedoch möglich sein, mit geeigneten Maßnahmen die doppelte Staatsbürgerschaft für Deutschtürken auf den Prüfstand zu stellen, denn, und das habe ich ja eben gezeigt, es gibt kein Grundrecht auf eine doppelte Staatsbürgerschaft. Es obliegt dem Staat, ob er dieses Privileg zubilligt oder eben nicht. Entsprechend muss dann der Betroffene wählen, welche der beiden Staatsbürgerschaften er behalten möchte und welche nicht. Die Konsequenz aus dieser Entscheidung darf nicht sein, dass am Ende der Betroffene "Staatenloser" wird, d.h. keine Staatsbürgerschaft innehält.

Wie sollte die Situation mit den Deutschtürken gelöst werden? Zunächst benötigt es den rechtlichen Rahmen, überhaupt die doppelte Staatsbürgerschaft zu lösen. Dazu kann es nötig sein, die ursprünglichen Bedingungen für die doppelte Staatsbürgerschaft erneut auf den Prüfstand zu stellen. Sollten z.B. als Bedingungen ein aktives Aufnahmeverfahren laufen bzw. die Türkei privilegierter EU-Partner sein, könnten bereits jetzt schon die Voraussetzungen für die doppelte Staatsbürgerschaft nicht mehr gewährleistet sein. Eine Aufkündigung wäre demnach möglich. Sind andere Bedingungen vorgegeben, die nicht mehr erfüllt werden bzw. die im Vergleich zu Staaten, deren Bürger für eine doppelte Staatsbürgerschaft nicht in Frage kommen, ähnlich oder identisch sind, kann auch hier eine Aufkündigung realisiert werden.

Eine weitere Option ist diplomatisch zu begründen: aufgrund der innenpolitischen Situation der Türkei kann es zu diplomatischen Sanktionen durch einzelne Mitglieder der EU bzw. der ganzen EU kommen. Sanktionen müssen dabei nicht nur wirtschaftliche Bereiche betreffen, sondern können auch bisher geltende Privilegien zurückrufen, dazu gehören neben Visa-Freiheit eben auch Dinge wie die doppelte Staatsbürgerschaft.
Der Extremfall wäre ein Kriegszustand: der Inhaber der doppelten Staatsbürgerschaft zweier im Krieg befindlicher Staaten ist ein Risiko aufgrund des Interessenkonfliktes, welche die Staatsbürgerschaften beider im Konflikt befindlichen Staaten verursachen. Der Entzug einer der beiden Staatsbürgerschaften und die anschließende Ausweisung bzw. Ausreiseverbotes (je nach dem, welche Staatsbürgerschaft entzogen wurde) ist dann Teil des Sicherheitskonzeptes des betroffenen Staates.

Zusammengefasst: die doppelte Staatsbürgerschaft unserer Deutschtürken ist ein Privileg, das auch widerrufen werden kann. Es gibt mehrere Möglichkeiten, den Widerruf zu realisieren, bisher ist davon aber noch nicht Gebrauch gemacht worden. Um dem Rechtsstaat zu genügen, muss dem Betroffenen die Möglichkeit gegeben werden, sich zu einer der beiden Staatsbürgerschaften zu erklären und die andere abzugeben und dann anschließend geordnet das Land zu verlassen bzw. zu bleiben (je nach Entscheidung). Eine der beiden Staatsbürgerschaften MUSS abgegeben werden, aber keiner der beiden Staaten darf die Entscheidung des Betroffenen vorwegnehmen und von sich aus eine Staatsbürgerschaft auflösen.
Es muss zudem ein ausreichender Zeitraum für die Entscheidung gegeben werden und es darf keine "Sippenhaft" geben, d.h. jeder Inhaber der doppelten Staatsbürgerschaft muss sich für sich entscheiden, darf aber nicht stellv. für ein Familienmitglied (oder alle) entscheiden oder dazu gezwungen werden.

Ist aber eigentlich mühsig, darüber nachzudenken ... unsere Bundesregierung denkt nicht einmal im Traum daran, mit Erdogan zu brechen, geschweige denn, sich auf den Stress mit 1,4 Millionen Deutschtürken einzulassen. Lieber "aussitzen" und warten, bevor die Zeit die Entscheidung abnimmt. Die unbequeme Frage nach der "Integration" stellt lieber gleich gar niemand, denn dann käme womöglich heraus, dass sich da seit der Generation "Gastarbeiter" nicht viel getan hat.
Wobei ... es gibt sie, die integrierten Türken und Kurden. Die sehen sich dann aber eben nicht mehr als Türken oder Kurden, sondern als Deutsche.

Das Posting wurde vom Benutzer editiert (20.04.2017 17:36).

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