Bevor man den Krieg in der Ukraine und die Konflikte im Nahen Osten zusammen als "Weltkrieg" oder eine Vorstufe davon betrachtet sollte man sich erst einmal darüber im Klaren werden, warum der Name für den Krieg von 1914 - 1918 so gewählt wurde.
Nach dem Einfall des deutschen Heeres in Belgien war England als belgische Schutzmacht plötzlich auch in den Krieg mit hineingezogen worden, der vorher als Kontinental-Europäischer Krieg galt. England unterhielt bis in die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg ein weltumspannendes Kolonialreich, ebenso hatte Deutschland Kolonien in Afrika und der Karibik. Frankreich hatte Kolonien in Südamerika, im indischen Ozean und in Südostasien. Nach dem Kriegseintritt der USA 1917 befanden sich fast alle Industrieländer miteinander im Krieg, und der Krieg galt wegen der Kolonien auch fast weltweit (sogar Staaten aus Südamerika erklärten Deutschland wegen der U-Boot-Angriffe auf neutrale Schiffe den Krieg).
Eine ähnliche Situation stellte sich 1941 im 2. Weltkrieg wieder ein, als Deutschland wiederum den USA den Krieg erklärten.
In der Zwischenzeit haben aber die großen europäischen Kolonialmächte ihre Kolonien verloren, und an der "neutralen" Haltung vieler dieser ehemaligen Kolonien (z.B. Indien, Pakistan, ...) erkennt man, dass der Name "Weltkrieg" vielleicht doch unpassend für die derzeit laufenden Kriege ist.
Einen wichtigen Punkt hat der Autor auch übersehen: Auch wenn NATO-Staaten sowohl in der Ukraine als auch im Nahen Osten ziemlich massiv jeweils eine einzelne Kriegspartei unterstützen, befinden sie sich jedoch nicht offiziell im Kriegszustand (die kurzen Episoden mal ausgenommen, als die USA und ihre "Koalition der Willigen" gegen den Irak Krieg führte und als die NATO die Taliban-Führung in Afghanistan niederkämpfte). Es mag sein, dass sich das ändert - aber die Politiker wollen das im Grunde nicht, sonst hätten sie es schon längst getan.
Problematisch könnte sich die Situation entwickeln, wenn sich einzelne NATO-Staaten entschließen sollten, die Ukraine mit mehr als nur Waffen und Ausbildung zu unterstützen, sondern dort selbst Einheiten hin entsenden um aktiv Kampfhandlungen mit russischen Kräften zu beginnen - und Russland dann die Heimatländer direkt angreift. Hier wäre es eine Frage, ob sich dann alle in der NATO einig wären, dass dem Bündnisfall zu folgen ist, nach dem Motto: Ihr habt es ja provoziert. Russland hatte das letzten Endes mit dem Ultimatum austesten wollen, das dem Einfall in die Ukraine 2022 vorausging, die Bündnispartner sind da aber nicht darauf eingegangen.
Auch wenn man das Zitat "sie schlafwandelten in den Ersten Weltkrieg" hernimmt passt es nicht ganz. 1914 standen sich in Europa mehrere hochgerüstete Mächte gegenüber, es gab in den Jahrzehnten vorher enorme Entwicklungen im Bereich der Artilleriemunition und der Maschinengewehre - so dass die Militärs jeweils der Überzeugung wahren, es auch mit einem sonst überlegenen Gegner aufnehmen zu können. Stattdessen sind die Kriege in der Ukraine bzw. im Nahen Osten mit einer Übermacht der Angreifer begonnen worden, der Angegriffene hat sich dann aber doch als viel zäher als Gedacht herausgestellt. Israel sah gegen die gemeinsamen Kräfte von Hamas, Hisbolla und dem Iran sowie des damit im Grunde verbündeten Syrien anfangs nicht gut aus - hat es aber geschafft, die Gegner nacheinander zu eliminieren.
Russland dachte auch, es hätte in der Ukraine leichtes Spiel - der Krieg ist auch jetzt, nach fast drei Jahren noch lange nicht entschieden.
Zu dem Statement "was, wenn bei den Großen kein 'Guter' dabei ist?": Ein Krieg ist immer eine grausame Geschichte. Keine Ächtung irgendwelcher Waffengattungen kann daran etwas ändern, keine Haager Kriegsordnung und nichts. Besser ist es, Kriege gar nicht erst beginnen zu lassen. Bei allen genannten Kriegen hat das aber nicht geholfen, stattdessen hat eine Fraktion gemeint, zu diesem Mittel ("Krieg") greifen zu müssen und zu können, um die eigenen Vorstellungen politisch umsetzen zu können. Leider hören Kriege in den wenigsten Fällen von alleine auf. Daher hilft es nur, wenn man versucht sich an den Leitlinien der UN auszurichten und nicht auch noch die Verursacher von Kriegen zu belohnen indem man ihnen geben will nach was sie verlangen - auch wenn sie mit noch mehr Zerstörung und Gewalt drohen. Die "Guten" wären nach dieser Lesart die, die nicht mit mehr Zerstörung und Gewalt drohen.