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  • Nestor Machno

4 Beiträge seit 14.01.2018

Hintergrundinfo zum Charakter der hier erwähnten Anleihen

Man muß sich hierbei vergegenwärtigen, daß die Ukraine lange mit ad hoc-Krediten versehen wurde, um als Staat überhaupt bestehen zu können. So geschah es unter den Präsidenten Kravtschuk und Kutschma.
Diese Kredite wurden von den „alten“ EU-Staaten sozusagen a fondo perdido vergeben, es waren praktisch Geschenke, die als irgendwelche Posten in den Budgets verbucht wurden – oder auch nicht.

Es bedurfte erst einmal der Einrichtung eines Bankwesens, um die Finanzierung des ukrainischen Staates auf Anleihen umzustellen. Lange waren vor allem österreichische Banken die einzigen vor Ort, vor allem die derzeit sehr geschmähte Raiffeisen-Bank.

Nach der Orangen Revolution nahm das Anleihenwesen etwas Schwung auf. Erstens vermeinten die westlichen politischen und Finanz-Eliten, jetzt endlich „ihre“ Leute auf den ukrainischen Thron gesetzt zu haben. Zweitens waren die ukrainischen Anleihen hoch verzinst und stellten nach der Finanzkrise paradoxerweise und natürlich nur vermeintlich eine Art sicheren Hafen dar, weil sie von den Euro-Problemen nicht betroffen waren.

Der Sieg und der Sturz Janukowitschs hatten sowohl Ursachen als auch Folgen auf dem Anleihenmarkt.

Als Janukowitsch 2010 Präsident wurde und die vom Westen geschätzten Politiker Timoschenko und Juschtschenko in der Versenkung verschwanden (aus der sie bis heute nicht mehr aufgetaucht sind), wurden die ukrainischen Anleihen erneut fragwürdig.
Der Majdan kann also auch in dem Lichte betrachtet werden, daß die westliche Finanzwelt eine stabile prowestliche Führung in der Ukraine verlangte.

Nach dem Sturz von Janukowitsch und der Inthronisierung prowestlicher Politiker nahm das ukrainische Anleihewesen wieder Fahrt auf. Die ukrainischen Anleihen wurden zwar einerseits durchaus wegen ihrer höheren Verzinsung gekauft. Aber die Gläubiger, westliche Banken und Institutionen, vor allem aus der EU, begriffen das auch als einen politischen Kredit, mit dem man die Expansion der EU nach Osten unterstützen müsse.
Im Gegenzug erwarteten sie natürlich eine strikte Westorientierung der Ukraine und ihre bedingungslose Unterordnung unter die Vorgaben des IWF. (Keine Subventionierung von Treibstoff und Heizkosten, Privatisierung des Gesundheitswesens und die Einrichtung des Privateigentums im Agrarsektor.)

Das alles und noch mehr ist geschehen, aber dann kam der Krieg dazwischen und ein Moratorium wurde verkündet. Wie Müller in seinem 2., verlinkten Artikel erwähnt, dachte man damals, der Krieg wäre spätestens in 2 Jahren aus und die Russen sind plattgemacht.

Wo das nicht eingetreten ist, wollen die Gläubiger jetzt wieder in ihre Rechte eingesetzt werden – vielleicht auch von der Besorgnis getrieben, daß ein etwaiger Sieg Rußlands im Konflikt diese Anleihen in Makulatur verwandeln würde.

Die von der ukrainischen Seite vorgeschlagene Umschuldung und Schuldenstreichung lauft im Grunde ebenso auf die Entwertung dieser Anleihen hin, weil ja die ganze Zukunft dieses Staates nicht unter sehr guten Vorzeichen steht.

Die Besorgnis, daß die mühsam zusammengekratzten Gelder zur Unterstützung der Ukraine jetzt für Schuldendienst verwendet werden könnten, ist natürlich für die EU, USA und NATO auch nicht sehr sexy. Erstens aus ökonomischen Gründen, und zweitens wegen der schiefen Optik.

Andererseits steht natürlich auch die ganze Allianz zwischen Staatsmacht und Finanzkapital hier auf dem Spiel: Die Banken gaben ja den Kredit in Hoffnung auf die politische Eingemeindung der Ukraine. Wenn man die jetzt um ihr Geld umfallen läßt, so könnten sich die Banken in Zukunft genau überlegen, welche Mächte sie durch Anleihenkauf unterstützen – und welchen sie den Kredit verweigern.

Der Euro ist durch die Ukraine-Problematik gefährdet, aber auch die privaten Bankschätze und die Stabilität des Banksektors.

Die Höhe dieser ukrainischen Schuld ist ein wohlgehütetes Geheimnis, aber es dürfte sich um beträchtliche Summen handeln, gegen die die beschlagnahmten russischen Aktiva ein Klacks sind.

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