randbemerkung oder: eine spannende situation...
cuthbert
ich hatte es als antwort geschrieben, aber vielleicht interessiert es
jemanden als extra thema...
jedes system oder intellektuelle gebilde, was mit dem anspruch
antritt, eine umfassende welterklärung zu liefern ist intolerant,
also andersdenkende ausschließend. (wie sie mit den ausgegrenzten
umgeht, steht auf einem besonderen blatt und wird von den jeweiligen
umständen geregelt). die christlichen kirchen sind hier leiser, weil
sie nur noch eine untergeordnete rolle spielen, der westen in dieser
hinsicht säkular ist - zumindest nach seinem
(binnen)-selbstverständnis. analysiert man den westen nüchtern, kommt
ein quasireligiöses verhältnis zur geldwirtschaft und technologie
heraus. menschen, die ein eher skeptisches verhältnis zur technologie
haben, werden nicht verfolgt, aber ignoriert, spielen keine rolle,
haben kein forum, keinen anteil an öffentlichkeit - öffentlichkeit =
sachliche wahrnehmung durch die mainstreammedien.
das muß nicht zwingend so sein: im dritten reich konnte man wegen
technikkritik (skeptische bemerkungen zum volkswagen z.b.) angeklagt
und verurteilt werden, das konnte durchaus bis zur todesstrafe gehen.
im ostblock gab es in den 50er jahren ähnliches. (stichwort
offenställe, der fall lyssenko usw usf...)
interessant - in einem etwas weiteren rahmen - ist für mich
folgendes: der rückfall in aggressivität und herdenverhalten,
rückgriff auf tradierte formen und feindbildentwicklung im kontext
sozialer probleme (*reform* von sozialsystemen).
das erinnert mich an eine interessante vorlesung an der
humboldt-universität anfang der 90er. rudolf bahro hatte damals
biedenkopf ans institut für sozialökologie eingeladen und biedenkopf
stellte eine interessante frage bzw skizzierte einen interessanten
gedanken: demokratie und menschrechte wurden bisher garantiert unter
den bedingungen von wachstum und überschuß, weil mit der möglichkeit
der verteilung von überschüssen, verteilungskonflikte vermieden
werden konnten. platt formuliert: niemand störte sich am reichtum der
andern, solange für ihn selbst noch genügend abfiel. er stellte die
frage, was wohl passieren würde, wenn es zu wachstumsdämpfungen käme
oder gar zum ende des wachstums, also nichts mehr da wäre, was man
verteilen könnte. er hatte den mut, die frage deutlich zu stellen:
sind demokratie, tolerenz und innerer frieden an ein ständig
wachsendes bruttosozialprodukt gebunden oder wird diese problematik
mit dem rückfall in alte muster von feindschaft, intoleranz und
friedlosigkeit beantwortet werden? er behauptete (hoffend), daß dem
nicht so sei. aber er formulierte auch sehr deutlich die bedingungen,
die gegebensein müßten um den inneren frieden zu garantieren. (man
mache sich nichts vor, die diskussion über das bleiben von bestimmten
nationalen gruppen innerhalb von gesellschaften und der umgang mit
ihnen ist eigentlich eine diskussion über die bedingungen inner
sicherheit...). und seine bemerkungen verwiesen auf grundlegende
verämnderungen des gesellschaftlichen systems (stärkung des
solidargedankens usw..., mehr gewicht auf den gleichheitsgedanken
gegenüber dem der *freiheit*...).
spannend ist die erinnerung an diese vorlesung in der hinsicht, daß
wir jetzt genau den fall haben: mangelndes wachstum, beginnende
verteilungskonflikte und störung des inneren friedens.
platt-revoluzzerhaft formuliert, aber nicht ganz falsch: die
mittelklasse löst sich auf bzw ängstigt sich um die besitzstände und
unten (sozial) beginnt man sich den schädel einzuschlagen... wäre man
nicht so nah dran und wäre ich zynischer als ich es tatsächlich bin,
könnte man sich zurücklehnen und mit spannung beobachten, wie es
weiter geht...
allerdings neige ich eher zu etwas, was der verzweiflung nicht ganz
unähnlich ist...
antworten (sachliche) würden mich durchaus interessieren
gruß c.
cuthbert
ich hatte es als antwort geschrieben, aber vielleicht interessiert es
jemanden als extra thema...
jedes system oder intellektuelle gebilde, was mit dem anspruch
antritt, eine umfassende welterklärung zu liefern ist intolerant,
also andersdenkende ausschließend. (wie sie mit den ausgegrenzten
umgeht, steht auf einem besonderen blatt und wird von den jeweiligen
umständen geregelt). die christlichen kirchen sind hier leiser, weil
sie nur noch eine untergeordnete rolle spielen, der westen in dieser
hinsicht säkular ist - zumindest nach seinem
(binnen)-selbstverständnis. analysiert man den westen nüchtern, kommt
ein quasireligiöses verhältnis zur geldwirtschaft und technologie
heraus. menschen, die ein eher skeptisches verhältnis zur technologie
haben, werden nicht verfolgt, aber ignoriert, spielen keine rolle,
haben kein forum, keinen anteil an öffentlichkeit - öffentlichkeit =
sachliche wahrnehmung durch die mainstreammedien.
das muß nicht zwingend so sein: im dritten reich konnte man wegen
technikkritik (skeptische bemerkungen zum volkswagen z.b.) angeklagt
und verurteilt werden, das konnte durchaus bis zur todesstrafe gehen.
im ostblock gab es in den 50er jahren ähnliches. (stichwort
offenställe, der fall lyssenko usw usf...)
interessant - in einem etwas weiteren rahmen - ist für mich
folgendes: der rückfall in aggressivität und herdenverhalten,
rückgriff auf tradierte formen und feindbildentwicklung im kontext
sozialer probleme (*reform* von sozialsystemen).
das erinnert mich an eine interessante vorlesung an der
humboldt-universität anfang der 90er. rudolf bahro hatte damals
biedenkopf ans institut für sozialökologie eingeladen und biedenkopf
stellte eine interessante frage bzw skizzierte einen interessanten
gedanken: demokratie und menschrechte wurden bisher garantiert unter
den bedingungen von wachstum und überschuß, weil mit der möglichkeit
der verteilung von überschüssen, verteilungskonflikte vermieden
werden konnten. platt formuliert: niemand störte sich am reichtum der
andern, solange für ihn selbst noch genügend abfiel. er stellte die
frage, was wohl passieren würde, wenn es zu wachstumsdämpfungen käme
oder gar zum ende des wachstums, also nichts mehr da wäre, was man
verteilen könnte. er hatte den mut, die frage deutlich zu stellen:
sind demokratie, tolerenz und innerer frieden an ein ständig
wachsendes bruttosozialprodukt gebunden oder wird diese problematik
mit dem rückfall in alte muster von feindschaft, intoleranz und
friedlosigkeit beantwortet werden? er behauptete (hoffend), daß dem
nicht so sei. aber er formulierte auch sehr deutlich die bedingungen,
die gegebensein müßten um den inneren frieden zu garantieren. (man
mache sich nichts vor, die diskussion über das bleiben von bestimmten
nationalen gruppen innerhalb von gesellschaften und der umgang mit
ihnen ist eigentlich eine diskussion über die bedingungen inner
sicherheit...). und seine bemerkungen verwiesen auf grundlegende
verämnderungen des gesellschaftlichen systems (stärkung des
solidargedankens usw..., mehr gewicht auf den gleichheitsgedanken
gegenüber dem der *freiheit*...).
spannend ist die erinnerung an diese vorlesung in der hinsicht, daß
wir jetzt genau den fall haben: mangelndes wachstum, beginnende
verteilungskonflikte und störung des inneren friedens.
platt-revoluzzerhaft formuliert, aber nicht ganz falsch: die
mittelklasse löst sich auf bzw ängstigt sich um die besitzstände und
unten (sozial) beginnt man sich den schädel einzuschlagen... wäre man
nicht so nah dran und wäre ich zynischer als ich es tatsächlich bin,
könnte man sich zurücklehnen und mit spannung beobachten, wie es
weiter geht...
allerdings neige ich eher zu etwas, was der verzweiflung nicht ganz
unähnlich ist...
antworten (sachliche) würden mich durchaus interessieren
gruß c.