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  • Leser2015

478 Beiträge seit 19.11.2015

Re: Aber "alles" wäre eben "alles", (...) – Zustimmung!

Zustimmung! Auch aus meiner Sicht sind die beiden Absätze im vorliegenden Telepolis-Artikel direkt unter der Zwischenüberschrift »Alles würde sich verändern« des geschätzten Autors Prof. Dr. phil. Roland Benedikter ohne weitere Erläuterung vollkommen unverständlich! Man kann lediglich mutmaßen, dass nicht nur an eine Lebenszeitverlängerung sondern tatsächlich an die Möglichkeit ewigen Lebens gedacht wurde, die jedoch bereits wegen der prinzipiellen Gefahr unmittelbar tödlich verlaufender Unfälle niemals gegeben sein wird.

Selbst bei einer perfekten Technologie, die eine biologisch unlimitierte Lebenszeitverlängerung garantierte, blieben menschliche Individuen schließlich nach allen bisherigen körperlichen Kriterien für Leben und Tod sterblich, was auch der Transhumanismus niemals verändern könnte; dort träumt man allerdings von Backup-Funktionen für die Software des menschlichen Gehirns auf ein möglichst sicheres, externes Speichermedium, ganz nach dem Vorbild gängiger Datensicherungsprogramme für Computer. Letztlich begegnet der Artikel hier nach Art eines Strohmann-Arguments einem sozialen Szenario in der Zukunft, in dem die Menschheit durch die technologische Entwicklung einen gewissermaßen göttlichen Status erlangt hätte, was selbst der Transhumanismus für komplett ausgeschlossen hält.

Zunächst thematisiert jener Teil des Artikels nur »eine starke Ausweitung der Möglichkeiten zur Lebenszeit-Beeinflussung« und wechselt plötzlich ohne irgendeine Erklärung zu einer qualitativ ganz anderen Kategorie, nämlich der Idee eines ewigen Lebens für den menschlichen Körper:

»Kultur und Religion waren aus Sicht der "Transhumanisten" – in allen Aspekten – nur mehr oder weniger bewusste Verschleierungen von Sterblichkeit. Alles an ihnen würde verzichtbar, wenn Lebenszeit von Menschen selbst kontrolliert werden könnte. Beziehungen zwischen Menschen und Gruppen würden sich verändern. Das käme einer kulturellen und sozialen Revolution gleich.« (Benedikter)

Selbst wenn man dieser im Artikel dem Transhumanismus untergeschobenen Wertung folgte, so bleibt die biologische Sterblichkeit eines konkreten Individuums doch tatsächlich absolut unbesiegbar, weshalb Gläubige zu allen Zeiten Sinn und Trost in religiösen Überzeugungen suchen, gerade weil sie genau wissen, dass biologische Gründe eine körperliche Unsterblichkeit prinzipiell ausschließen. Eine bloße Lebenszeitverlängerung raubte dem Tod nicht dessen Schrecken, und ein körperlich ewiges Leben ist mit der biologischen Existenz eines konkreten Individuums theoretisch unvereinbar.

Und selbst falls man ein Software-Backup des Gehirns eines körperlich Verstorbenen auf einen im Reagenzglas zuvor konservierten biologischen Klon als neue Hardware aufspielen könnte, so wäre dieses Verfahren ziemlich zeitraubend, und im Ergebnis entstünde doch ein ganz anderes Individuum, denn der Klon würde bis zur Software-Vereinigung schließlich jahrelang eigene Erfahrungen sammeln, die man ihm unter Menschenwürdegesichtspunkten auch nicht wieder nehmen dürfte; und selbstverständlich könnte eine echte Großkatastrophe, die sämtliche Soft- und Hardware-Konserven beträfe, ohnehin jede Backup-Lösung als ziemlich endlich entlarven.

Daneben wäre die im obigen Zitat aus dem vorliegenden Artikel proklamierte »Revolution« aller Sozialbeziehungen zwischen Individuen und Gruppen höchstens unter der völlig illusorischen Bedingung körperlich absoluter Unsterblichkeit denkbar, weil erst dann das biologische Leben eines Individuums komplett unabhängig von der Existenz irgendeiner Gemeinschaft existierte.

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