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  • Leser2015

478 Beiträge seit 19.11.2015

Re: Manches schließt sich nicht gegenseitig aus, anderes schon – unklar!

Emrymer schrieb am 31.07.2024 16:20:

Den medizinischen Durchbruch im Hinblick auf eine höhere Lebenserwartung stellte nicht die Entdeckung der Antibiotika dar

Nicht nur, aber auch. Daß wir hier heute kaum noch Antibiotika brauchen, liegt auch daran, daß wir Epidemien praktisch aus unserem Alltag verbannen konnten. - Außerdem: ersetzen Sie meinetwegen Antibiotika für sich gedanklich durch "Hygiene und Impfungen" - es ändert sich nichts wesentliches an dem Befund, daß die deutliche Erhöhung der Lebenszeit einer breiten Masse von Menschen keinen Kulturbruch nach sich gezogen hat. Die Kultur ist - abgesehen von dem üblichen Fluß, in dem sie immer ist, wie Aneri_2021 ja auch korrekt angemerkt hat - gegenüber der früheren weitgehend bruchlos anschlußfähig.
Mit wiederum einer Ausnahme: die 1960er Jahre bzw. die '68er-Bewegung(en). Da hat sich tatsächlich in kurzer Zeit ein größerer kultureller Wandel ergeben. Der hat nun aber gar nichts mit einer Lebenszeitverlängerung von Menschen zu tun gehabt...

Das heißt: Der historische Befund bezeugt, daß Lebenszeitverlängerung bewirkt keinen intensiveren kulturellen Wandel erzeugt und andererseits ein starker kultureller Wandel nicht durch eine Veränderung der Lebenszeitlänge (mit-)verursacht war.

Unklar; es kommt vermutlich darauf an, was genau man unter dem Begriff Kultur versteht.

Der Duden definiert Kultur in der allgemeinsten dort angebotenen Bedeutungsvariante als »Gesamtheit der geistigen, künstlerischen, gestaltenden Leistungen einer Gemeinschaft als Ausdruck menschlicher Höherentwicklung« (https://www.duden.de/rechtschreibung/Kultur).

In dieser Bedeutung müsste eine erhebliche Lebenszeitverlängerung bereits definitionsgemäß einen kulturellen Wandel darstellen, genau wie auch alle anderen technologischen Durchbrüche der Vergangenheit; beispielsweise haben sich die menschlichen Alltagsabläufe, zumindest in den Industrieländern, durch den technologischen Fortschritt im Verlauf des 20. Jahrhunderts grundlegend gewandelt, etwa durch Haushaltsmaschinen oder im Bereich der Fortbewegung.

Der im TP-Artikel thematisierte Fall einer irgendwann vielleicht einmal möglichen deutlichen Lebenszeitverlängerung, etwa einer Verdoppelung, hätte fast zwangsläufig auch Auswirkungen auf die für unsere individuelle Persönlichkeitsentwicklung wichtigen lebensaltertypischen Entwicklungsaufgaben (https://dorsch.hogrefe.com/stichwort/entwicklungsaufgaben) in einer solchen Gemeinschaft der Zukunft; allein schon deshalb, weil für die Bewältigung dieser zwar altbekannten Entwicklungsaufgaben plötzlich viel mehr Lebenszeit zur Verfügung stünde.

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