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  • Abtrünniger Zauberer

mehr als 1000 Beiträge seit 26.01.2012

Re: Wieso nicht pragmatische Lösungen suchen?

Die wichtigste Frage wird nie gestellt: welcher pragmatische Lösungsansatz verspricht den größtmöglichen Erfolg bei geringstmöglichen Aufwand?

Ah, ein "Pragmatikerideologe".

Die pragmatischste aller Lösungen wird sowohl aus politischen wie ideologischen Gründen direkt gar nicht erst auf die Theke gelegt, und die nennt sich "Hybride Energieversorgung". Hybrid, weil 100% "Regenerative" nicht in Deutschland ohne erheblichen Aufwand bei enormen Zugeständnissen möglich sind.

Ah, ein Beweis durch Behauptung.

Für 100% "Regenerative" brauchen wir auch Speicher, die in der Lage sind, mehrere Tage fehlende Erträge aus Wind und Solar abzufangen. Stunde für Stunde müssen also aus den Speichern im Schnitt 70GW Leistung bereitgestellt werden, denn dies ist der durchschnittliche Bedarf unserer Gesellschaft. Es kann also auch mal mehr oder weniger sein. Die Elektromobilität für Züge und Straßenbahnen ist da mit drin, die Fast Charger für die inidividuelle E-Mobilität dagegen nicht. Die kommt noch oben drauf.

70GW * 24h = 1,68 TWh.
Nur blöd, dass wir im Schnitt mit viel weniger auskommen an Speicher. Mit echten Daten kommst du auf einen Sweet-Spot von ca. 1TWh Tagesspeicher, alles darüber ist Langzeitspeicher (oder auch Saisonalspeicher - das Ding für die Dunkelflaute). Als Langzeitspeicher haben wir PtGtP-Technologie mit bereits existierenden riesigen Lagerkapazitäten.

Nur wie sollen die Speicher aussehen? Wir können nicht unbegrenzt Pumpspeicherbecken bauen und dort den Tagesertrag der Sonne einlagern. Akkus sind trotz der gegenwärtigen Preissenkungen immernoch zu teuer und zu wartungsintensiv und können nur individuell zur Lösung beitragen, sind aber für zentralisierte Anlagen nicht gut geeignet. Jährlich würden Milliardenkosten entstehen, die nur für den Erhalt und die Wartung der Akkuspeicher anfallen würden und den Strompreis treiben.

Bei aller Speicherung fallen Kosten an. Ein Tagesspeicher von 1TWh würde momentan ohne Skallierungseffekte sondern mit Endkundenpreisen jährlich 15Mrd € kosten - oder um es vergleichbarer zu machen einen Aufpreis von ca. 3c/kwh.
Das ist natürlich immer noch zu hoch gerechnet, weil ja kein Tagesspeicheranbieter jemals zu Endkundenpreisen einkaufen würde, sondern eher zu Preisen wie VW und Co, aber hey, lieber konservativ rechnen, geht ja nur um Größenordnungen.
Und die widerspricht deiner Aussage Eklatant - Pumpspeicherkraftwerke kosten ca. 5c/kwh, d.h. Akkus sind bereits billiger als Pumpspeicherkraftwerke.
PtGtP für den Saisonalstrom kommt auf ca. 3c/kwh Umlage, ist mir aber jetzt zu kompliziert, das wieder aufzuschreiben - hab ich hier öfters schon gemacht.

6c/kwh Aufschlag für Tages- und Saisonalspeicher kombiniert - dafür würden viele andere Kosten sinken: dezentrale Verteilung der Akkus sorgt für eine höhere zeitlichere Auslastung der bestehenden Infrastruktur und vermeidet somit Ausbaukosten für das Netz.

Nein. Das funktioniert nicht. Kann auch nicht.

Natürlich kann das funkionieren. Warum denn nicht? Weil du es behauptest?

Die pragmatische Lösung ist eine hybride Lösung. Ziel ist, den regenerativen Anteil auf ein technisch machbares, ökonomisch vertretbares Optimum anzuheben, und zwar nicht nur auf's Jahresmittel betrachtet, sondern auch auf den individuellen Tag heruntergebrochen. Dann müssen wir uns u.a. auch über Dinge unterhalten, die bislang so nicht praktiziert werden, aber zwingend erforderlich werden für eine möglichst fossilarme Energieversorgung. 0% Carbon ist Ideologie und nicht umsetzbar.

Du hast eine komische Definition von Ideologie. Du meinst wohl Utopie, verwendest aber Ideologie. Es ist immer schwer, sich mit Leuten die deiner Ideologie anhängen zu unterhalten, weil sie meinen, nur ihre Ideologie sei "echt" und "keine Ideologie"...

These 1: Sonne & Wind müssen 24/7 anliegen. Das ist aber nicht möglich, sondern kann nur durch geeignete Speicher ermöglicht werden.

Wäre möglich bei weltweitem Stromnetz, aber das ist halt utopisch, wenn auch nicht aus technischen Gründen.

These 2: Ausschließlich Überschusserzeugung aus Regenerativen darf verwendet werden, um einen "Wintervorrat" anzulegen. Dieser Wintervorrat besteht aus einem Mix von Wasserstoff, synthetischem "Erdgas" und synthethischen Kraftstoffen. Zusätzlich wird der Vorrat ergänzt durch Biomasse und Biogas.

These 3: Der "Wintervorrat" darf ausschließlich im Winter verstromt werden.

Saisonalspeicherung. Mit synthethischen Kraftstoffen meinst du E-Fuels? Warum brauchen wir die? Noch schlechteren Wirkungsgrad als grünes Gas brauchen wir nun wirklich nicht.
E-Fuels wird es für Oldtimer und Spezialanwendungen geben, aber nicht mehr für Otto-Normal-Verbraucher - weil schlicht zu teuer.

These 4: Für den 24-Stunden-Zyklus muss auf kurzzeitig verfügbare Speicher zurückgegriffen werden, und zwar ausschließlich auf Akkus. Pumpspeicherwerke müssen weiterhin als schnelle Reserve greifen können und müssen Peaks bei Erzeugung oder Bedarf ausgleichen können.

Pumpspeicherwerke sind im Endeffekt irgendwann obsolet. Ihren größten Vorteil, dass sie als Saisonalspeicher dienen könnten, skalliert nicht hoch genug und für 24h ist Akku auf absehbare Zeit billiger. Daher wird es keine oder kaum Neubauten geben. Aber die, die bereits da sind, können und werden natürlich weiter genutzt werden. Alles was wir bereits haben hilft.

These 5: Grundbedarfskraftwerke bleiben erhalten und tragen ca. 20 - 25% im Strommix bei. Das können Kohle-, Öl- oder Kernkraftwerke sein. Hauptaufgabe ist die Grunderzeugung von elektrischer Energie, aber auch als Pendelpunkt für Blindleistungen und als Netzfrequenzregulatoren.

Hier wirds albern. Erstmal was sind Grundbedarfskraftwerke? Den Begriff kenne ich nicht.
Ich nehme an du meinst Grundlastkraftwerke - ein Euphemismus für "schlecht regelbare Kraftwerke". Und nein, die brauchen wir in Zukunft nicht mehr. In einem volatilen Erzeugungskonzept haben schlecht regelbare Kraftwerke keinen wirklichen Platz mehr.

20-25% im Strommix? Übergangsweise sicherlich. Aber nach der Energiewende bestimmt nicht.
Wenn genügend EE-Erzeugungskapazitäten vorhanden sind UND du auch noch zusätzlich Tages- und Saisonalspeicher hast - wozu willst du dir dann noch diesen Klotz ans Bein binden?
Blindleistungen und andere Netzfrequenzregulierungen können Akkus viel besser und effizienter. Das war sogar die allererste Aufgabe, die Akkus übernommen haben.

Mit den 5 Punkte, vernünftig umgesetzt, kann Deutschland eine Energieerzeugung sicherstellen, die zu 75% sich aus Regenerativen speist und zu 25% aus fossilen Energieträgern. Die fossilen Energieträger könnten abgelöst werden durch Kernenergie oder, falls technisch jemals möglich, Fusionsenergie. Wenn die Fusionsenergie als sichere und saubere Energiequelle zur Verfügung steht, kann auch wieder der Anteil "Regenerativer" abgesenkt werden, insbesondere bei den Anforderungen an die Speicher. Das hilft auf Dauer, die Kosten für die Energieversorgung zu senken.

Saisonalspeicher sind im 100% EE-Konzept der teuerste Strom, auf den wir 7-10 Tage im Jahr zurück greifen müssen. Nur mal als Beispiel:
Fürs Jahr 2023 haben wir gesamt-Strombedarf 457TWh. Davon würden bei 90% EE aus Wind- und PV (rest Wasserkraft und Biomasse) 15TWh auf den Saisonalspeicher entfallen.
(Zahlen von https://www.stromdaten.info/ANALYSE/p2g2p/index.php - simulation mit 1twh li-ionen speicher, 250%WK, 450%PV)
Kernenergie ist der teuerste Strom überhaupt (nur ein wenig teurer als Strom aus EE + PtGtP) - würde in deinem Konzept aber mal eben wuppige 114 TWh im Jahr laufen.
Fusionskraftwerke? Die gibts nicht mal fertig auf dem Papier, da sind wir noch in der Grundlagenforschung. Die ist wichtig und richtig, aber wann und ob überhaupt daraus jemals eine funktionierende Energiequelle wird weiß noch keiner.

Die E-Mobilität profitiert in jedem Falle davon, wenn die Energieversorgungssicherheit nicht mehr von Wolken, Tages- und Jahreszeiten abhängig ist.

Pragmatisch halt.
Prager Fenstersturz: raus mit den Ideologen, rein mit den Praktikern!

Ich würde sagen, du offenbarst hier deutlich, welcher Ideologie du anheim gefallen bist, wenn du hier auf Vaporware wie Kernkraft setzt und Hoffnung auf eine alternative Energiequelle gleichsetzt mit "die wird kommen" und sogar schon weißt, dass sie "billiger wird" als EE.
Diese typischen Versprechen (too-smart-to-meter) hören wir von der AKW-Lobby seit über 70 Jahren und es ist noch nie eingetroffen - im Gegenteil ist Atomkraft die teuerste aller Erzeugungsarten.
Die billigste ist tatsächlich inzwischen PV. Natürlich nicht über das ganze Jahr und nicht einmal über einen ganzen Tag - aber als Erzeugung ist sie momentan unschlagbar billig. Und bevor ich auf Fusionskraftwerke setze würde ich eher auf neuartige PV (Perowskit bspw) setzen - die sind schon deutlich weiter, auch wenn auch hier noch keiner weiß, wann wirklich zu welchem Preis die verfügbar sind (und wie lange die halten).
Das gleiche bei Speichertechnologie: die ist jetzt schon vergleichsweise billig geworden (siehe oben) - aber auch hier geht der Trend Richtung "noch billiger".

Im Gegensatz zu deinen Wolkenkuckuksheimen aus 25% AKW oder Fusionskraftwerken ist 100% EE technisch und wirtschaftlich mit heute bereits auf dem freien Markt erhältlicher Hardware umsetzbar. Billigere PV- und Akku-technologien sind hier keine Bedingung sondern ein Bonus.
Im Gegensatz zu Kernkraft - die wird absehbar und auch empirisch in den letzten Jahrzehnten immer teurer, nicht billiger.

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