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  • Alexander Durin

mehr als 1000 Beiträge seit 21.03.2013

Das Ende der Freiheit

Damals - ja, da man muss sagen: in der guten alten Zeit - war man noch auf alten, klapprigen Drahteseln unterwegs. Ganz ohne Helm. Die Beleuchtung funktionierte zumindest sporadisch. Auf dem Fahrrad saßen manchmal drei Leute: der arme Fahrer und einer auf der Querstange und noch einer auf dem (damals noch vorhandenen) Gepäckträger. Ein Kind konnte vorne oder hinten drauf gepackt werden, heute droht gleich die Polizei - oder schlimmer: das Jugendamt mit seinen realitätsentfernten Gender-Tussis.

Als Jugendliche hatten wir mal einen ganzen (kleinen: nur sechs Meter) Baum auf zwei Fahrrädern durch die Innenstadt kutschiert. Hat keinen interessiert. Bei der Abfahrt vom Berg hat man eine Rauchspur hinterlassen, weil das Fett in der Nabe (damals war Nabenschaltung günstig und Kettenschaltung extrem teuer) durchs Bremsen verbrannte.

Geschwindigkeitsrekorde auf dem Rad waren allerdings so eine Sache. Die guten alten Tachos (heute übertrieben "Fahrradcomputer" genannt) mit ihrer analogen Anzeige (warum nur sind die meisten Anzeigen in Flugzeugen immer noch analog?) von VDO gingen nur bis 70 km/h (ohne Helm). Letztendlich musste man sich darauf verständigen, wer die 70+ länger gehalten hat. Ich würde sagen, die 100 haben wir fast erreicht, aber leider nur fast.

Das war Freiheit. Man hat sich auf dem Drahtesel sorglos den Wind um die Nase wehen lassen und wenn der Dynamo am Vorderrad mal in die Speichen kam (weil die nicht gewartete Schraube sich gelockert hat), ist man "nach vorne abgestiegen", war man zunächst schockiert und hat dann ob des genialen Stunts gelacht. Heute überlegt man sich, welchen Rechtsanwalt man nun beauftragt, weil das Fahrrad so gebaut ist, dass es einen Überschlag geben kann.

Das war ein schönes Leben. Man konnte frei sein und tun, was einem beliebte, solange man sich bei "Unachtsamkeiten" nur selbst geschädigt hat. Aber heute ist alles so voll von Lebenswächtern, die natürlich nur das Beste von einem wollen (triefender Sarkasmus), dass man sich kaum mehr bewegen kann. Das Ende der Freiheit ist gekommen.

Aber vielleicht ist das auch richtig. Es gibt immer mehr Menschen - vor allem junge -, die nicht mehr selbst in der Lage sind, zu erkennen, was gefährlich ist und was nicht. Um sie zu schützen (das Wort "schützen" ist voll in, in dieser Zeit) muss man sie wohl an die Hand nehmen. Sonst könnten sie sich ja verletzen oder gar sterben.

Im Zoo lebt es sich ganz angenehm. Die Frage ist nur, ob das Leben im Zoo überhaupt noch Leben ist.

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