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  • Goerlitzer

mehr als 1000 Beiträge seit 30.11.2007

Polens Premier Morawiecki: "Wir wollen die Ukraine in der EU sehen"

Die Worte fielen nach dem Pariser EU-Gipfel im März 23. Als Bremser bei einem ukrainischen EU-Beitritt machte Morawiecki die Niederlande aus, die allerdings für ihn als Steueroase seit langem ein "rotes Tuch" sind.

Tatsächlich muss man die Interessen der unterschiedlichen EU-Länder im Zusammenhang mit der Ukraine sorgfältig analysieren. Dass Polen (ca. 1 Mio.), vor allem aber Tschechien (ca 400.000), bezogen auf die Einwohnerzahl die meisten ukrainischen Flüchtlinge aufgenommen haben, hängt mit der spezifischen Arbeitsmarktsituation der Länder zusammen. Aufgrund der deutlich niedrigeren Arbeitskosten sind sie nach wie vor bevorzugte Zielländer von Outsourcing-Investitionen, aber ihr Arbeitsmarkt war weitgehend leer gefegt, was ein Engpass für Direktinvestitionen darstellt. (Natürlich schielen auch deutsche Politiker und Arbeitgeber im Zusammenhang mit der Ukraine vor allem auf deren grosses Arbeitskräfte-Reservoir).

Bei Polen kommen bei der Protegierung der Ukraine trotz unbewältigter ukrainisch-polnischer Vergangenheit z. T. sehr alte geopolitische Vorstellungen hinzu. Man will zwischen den "Grossmächten" Russland und Deutschland Führungsland eines ost-mitteleuropäischen Blocks sein. Schon Pilsudski entwickelte die Vorstellung von einer polnisch-ukrainischen Konföderation und auch die aktuelle sog. Drei-Meeres-Kooperation geht in diese Richtung.

Den - offenbar löchrigen - Einfuhrstopp für ukrainischen Weizen erliess die Warschauer Regierung im übrigen erst nach heftigen Protesten und Blockaden polnischer Bauern, einer wichtigen Wählergruppe der Nationalkonservativen. Auch bestimmte Privilegien der ukrainischen Flüchtlinge wurden erst nach merklichem Murren der polnischen Stamm-Bevölkerung zurückgenommen. So müssen die Ukrainer nach einer bestimmten Zeit für ihren Aufenthalt in Sammelunterkünften zahlen.

Als Konkurrent bei zukünftigen EU-Subventionen wird die Ukraine wohl eine gewisse Rolle spielen. Polen ist mit rund 8 Mrd. Euro netto grösster Benefizent. Allerdings gehen die EU-Nettosubventionen kontinuierlich zurück und schon jetzt steht bezogen auf die Einwohnerzahl Polen hinter vielen Ländern.

Als Markt und Produktionsstandort schwebt die Ukraine auch in den Köpfen der polnischen (wie der deutschen) Politiker und Unternehmer herum. Aber das ist der Bereich, in dem es die meisten Fragezeichen gibt. Realistisch ist ein Szenario wie in anderen Ländern der äusseren EU-Peripherie (Bulgarien, Rumänien, Lettland, Litauen). Die Ukraine liefert vor allem Arbeitskräfte, möglichst die besonders profitablen temporären Arbeitsmigranten, und Direktinvestitionen fliessen vor allem in den Handel, nicht zuletzt mit Luxusgütern.

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