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  • Farnsworth

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Re: Die Idee des Totrüstens ist wohl nicht aufgegangen?

Natr0ll schrieb am 10.04.2024 09:43:

Auch wenn es bei den EU-Papieren um abstrakte Bedrohungen an den Außengrenzen geht, möchte ich doch mal auf den Ukrainekrieg verweisen. Anfangs war man sich total sicher gewesen, dass wegen des vielfach höheren BIP der westlichen "regelbasierten" Länder Russland ruiniert werden könne. Vermutlich ist den Entscheidern jetzt die Einsicht gekommen, dass

1. Russland unterschätzt wurde

Eher überschätzt. Am Anfang dachten viele die Supermacht Russland würde die Ukraine in 3-4 Tagen überrennen. Nach 2 Jahren sind sie aber auch noch nicht wirklich weiter, sondern haben viele junge Russen in den Tod geschickt. Währenddessen werden die "tollen" Kampfpanzer mit billigem China-Spielzeug mit einem drangetüddelten Sprengkörper ausgeschaltet und die Schwarzmeerflotte wurde teilweise versenkt, von einem Land ohne eigene Marine. Schnell entwickelte Drohnen zerstören Ölraffinerien weit im russischen Hinterland und stören so empfindlich die einzige relevante Einnahmequelle Russlands: Ölprodukte. Was sonst will Russland denn exportieren? Deren tolle Autos? Oder Panzer, die sich gerade im Konflikt als ziemlich untauglich erweisen?
Durch die immer konsequentere Sanktionierungen gehen Russland immer mehr die Einnahmequellen aus. Infrastruktur verfällt wie Fernwärmeleitungen in Moskau (wo sonst immer alles Tippi Toppi gehalten wurde, wegen Hauptstadt!) weil weder Geld hat und die Männer dafür entweder geflüchtet sind oder an der Front verheizt werden. Entgegen der russischen Propaganda haben nicht die Europäer gefroren, sondern die Russen selbst. Das zeigt aber auch, dass Putin sein Volk sch***egal ist.
Ich glaube Putin dachte genau wie viele Politiker in der EU an die 3-4 Tage. Aber da er das Gesicht nicht verlieren will, gibt es kein Zurück.

2. es auf billige schnell hergestellte Massenwaffen eher ankommt als auf teure Supidupi-Wunderwaffen, die nicht nur eine längere Herstellungszeit und Spezialrohstoffe benötigen, sondern auch lange Schulungszeiten und teure Spezialfachkräfte zur Bedienung

Die braucht man zwar auch. Aber wenn deine billige Massenwaffe nur zufällig was trifft, während etwas präzisere Waffen deutlich höhere Trefferquoten haben, geht Dir irgendwann die Munition aus. Was nicht heißt, dass der Ukraine nicht die Munition ausgeht. Aber Russland hat es als Diktatur ja auch einfacher mit dem Nachschub. Wer in der Rüstungsindustrie arbeitet muss nicht an die Front und außerdem bezahlen sie gut. Die Ukraine ist deutlich kleiner und muss den Nachschub von den Unterstützern organisieren. Und das sind dummerweise ewig diskutierende Demokratien. Da sie nicht selber angegriffen werden gibt es bei Ihnen keinen Hebel mal eben alles hochzufahren.

3. die Preise der Rüstungskonzerne durch Ausschreibungen und konkurrierende Bewerbungen darauf relativ niedrig halten sowie durch den Wettbewerb Monopole verhindern zu können, nicht so wirklich geklappt hat

Qualität kostet halt. Andererseits decken sich Länder wie Polen gerade mit koreanischen Panzern ein. Durch die heißeren Beziehungen zu ihrem nördlichen Nachbarn, haben die nämlich eine funktionierende Rüstungsindustrie.

4. der Westen durch den "Markt" (privatwirtschaftliche Aktiengesellschaften) nicht in der Lage ist, die Preise auf sehr niedrigem Niveau zu diktieren und daher die Idee staatlicher Rüstungskonzerne/-monopole bzw. Preisdiktate und EU-weiter Planwirtschaft attraktiv findet

Was für eine Planwirtschaft? Deutschland ist die drittgrößte Wirtschaftsmacht auf diesem Planeten. Mit Planwirtschaft wäre man da wohl nicht hingekommen.

5. man nicht mehr unbedingt auf die USA setzen kann

Wenn da wieder demnächst der Irre an der Macht ist, wird das wohl so sein. Obwohl Trump wahrscheinlich eher die EU mit seinem Geklapper anheizt mehr in die eigene Sicherheit zu investieren. Auf der einen Seite verständlich. Auf der anderen Seite wollte man "aus Gründen" ja eigentlich auch kein militärisch starkes Deutschland. Von daher eigentlich etwas schizophren.

Um auf die Ukraine zu kommen: ich denke, dass die Ukraine sehr darauf setzt, bis 2025 durchzuhalten (z.B. durch die 60 Mrd. US-Dollar eine Dutzende weitere EUR-Milliarden). Und dann aufgrund der dann in der EU laufenden Kriegswirtschaft zurückschlagen zu können.

Das ist wohl die Hoffnung. Und ich kann es Ihnen nicht verübeln. Schließlich hat Ihnen jemand einfach so Teile des Landes weggenommen. Hätten sie damals ihre Atomwaffen nicht gegen leere Versprechen abgegeben, wäre das nie passiert.

Farnsworth

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