A) Es gibt keine Lagarde-EZB. Die Geldpolitik der EZB wird im EZB-Rat gemacht. Dort wird abgestimmt und der EZB-Präsident hat auch nur eine Stimme und keine Richtlinienkompetenz wie z.B. der deutsche Bundeskanzler im Bundeskabinett. Im Rat sitzen auch keine ressortfremden der Parteidisziplin unterworfenen Abnicker, sondern gestandene Notenbänker mit überwiegend mehreren Jahrzehnten Erfahrung. Wenn man gesehen hat, wie Lagarde auf ihren ersten beiden Pressekonferenzen geschwommen ist, dann kann man vermuten, dass der EZB-Rat ihr sagt was zu tun ist und nicht umgekehrt.
B) Man hat den Zentralbanken die Aufgabe der Inflationssteuerung übertragen, auf Basis der Inflationstheorie der komplett widerlegten neoklassischen Volkswirtschaftslehre. Gemeint ist die Quantitätstheorie mit zwei völlig realitätsfremden Prämissen. Die Zentralbanken können ihre Aufgabe so wie gedacht nicht wahrnehmen.
C) Wenn die Zentralbanken den Leitzins der Inflation anpassen, dann könnte man den Eindruck erhalten, sie könnte die Zinsen steuern. Das ist jedoch nicht der Fall, die Banken gehen nach einem einfachen Schema vor: Nominalzinsen = Realzinsen + erwartete Inflation. Dieser Sachverhalt ist zwingend, wenn die Aktionäre nicht dumm dastehen wollen. Natürlich ist auch noch die Konkurrenzsituation zu beachten, die wegen der FinTechs und Direktbanken harsch ist.
D) Die EZB kann den Leitzins anheben wie sie will, das hat auf die Refinanzierung der Geschäftsbanken keine Auswirkung. Die schwimmen wegen den Anleihekäufen in Zentralbankgeld. Die müssen sich zu einem wie auch immer gearteten Leitzins kein Geld vom EZB-System leihen.
E) Damit hat die Zinsanhebung der EZB zwei Effekte: Erstens der psychologische, der sagen will, wir kennen die Situation und können und wollen etwas dagegen tun. Tatsächlich kann eine Zentralbank keine unterbrochene Lieferketten und Angebotsschocks reparieren. Zweitens die Verringerung des Spreads zu den USA. Die eine Abwertung durch Carry-Trades mindert.
F) Ein Kreditnehmer freut sich über die Inflation, weil er nicht weiß, dass ihm die erwartete Inflation vorher aufgeschlagen wurde. Über eine unerwartet höhere Inflation freut er sich nur solange, bis er den Kredit nicht revolvieren muss. Staaten müssen aber die Staatsanleihen ständig revolvieren. Damit ist die Vorstellung ein Staat könne sich durch höhere Inflation entschulden Stammtisch, selbst wenn das einige sogenannte Top-Ökonomen genau so sehen.
G) Die Vorstellung die Zinsen für Staatsanleihen müssten vom Finanzmarkt abhängen, ist sicherlich gut gemeint, um die Staaten zu einer vernünftigen Haushaltspolitik zu verpflichten. Das hat aber mindestens drei Haken:
1. Durch einen externen Schock für den der Staat nichts kann, könnten die Schulden so sehr ansteigen, dass die Finanzmärkte einen höheren Risikozuschlag erhalten möchten. Also mehr Staatsausgaben in einer Situation in der der Staat dies gerade nicht gebrauchen kann.
2. Es entsteht ein Race-to-the-bottom bezüglich den niedrigsten Unternehmenssteuern, den niedrigsten Löhnen und den laxesten Umweltauflagen um es den Finanzmärkten recht zu machen.
3. Wenn ein Staat Schulden macht, dann entstehen auf der anderen Seite Vermögen. Diese wären nicht da, wenn der Staat keine Kredite aufgenommen hätte. Damit ist klar, dass diese Vermögen belastet werden müssen, wenn man die Kredite und die Zinsen dafür =konjunkturneutral= refinanzieren möchte. Welche Vermögen sollten also belastet werden? Die an die eben die Zinsen gezahlt wurden? Höhere Belastung dann bei höheren Zinsen? Wenn man das nicht kann oder nicht will, dann muss man sich überlegen von wem stattdessen und konjunkturneutral ist das dann auch nicht mehr.
H) Wirtschaftswachstum entsteht, indem mehr Geld für Güter, die zum BIP zählen, ausgegeben wird als vorher. Wo soll dieses Mehr an Geld herkommen? Das Sparbuch plündern, ok, das wird aber nicht im ausreichenden Maße gemacht. Jemand muss Kredite aufnehmen, aber wer?
In den hoch entwickelten Industrieländern gibt es Wirtschaftswachstum nur noch dann, wenn dies der Staat durch eine jährliche Neu- und Höherverschuldung induziert. Ganz einfach, weil nach den privaten Haushalten nun auch die Unternehmen Nettosparer geworden sind und das Wirtschaftswachstumsmodell Handelsüberschüsse entweder nie möglich war oder zu Ende gegangen ist. Die Staatsverschuldungen werden also nur einen Weg kennen: nach oben.
Und das kann auch niemals zurück bezahlt werden. Was kein Problem darstellt: Die Zentralbanken kaufen die Anleihen so auf, dass die Zinsen in einem verträglichen Rahmen bleiben und der Nennwert der Anleihen werden niemals zurück bezahlt, sondern bei Fälligkeit bis in alle Ewigkeit durch die Ausgabe von neuen Anleihen revolviert.
I) Aus G) und H) ergibt sich, dass die Zentralbanken für den Aufkauf von Staatsanleihen zuständig sind und das geplante TPI zwar in die richtige Richtung geht, aber noch unzureichend ist.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (22.07.2022 15:51).