Wenn fortschrittliche Journalisten (und zu diesem Gremium würde sich der Autor sicherlich zählen) so artig über die neoliberalen Stöckchen springen, sollte das einem zu denken geben. Wieso bringen die ihre Ideologie so spielend leicht unter die Leute und machen progressive Finanz und Wirtschaftspolitik zur Minderheitenposition. Was verstehe ich unter progressiver Wirtschaftspolitik: Die Abkehr bzw keine Rückkehr zur schwarzen Null, zur Schuldenbremse, zum Investitionsstau und hin zu einem enormen Investitionsschub für soziale Gerechtigkeit, im Gesundheitswesen, in Bildung, Forschung und Innovation und der Energiewende.
Der vorliegende Artikel bedient die neoliberalen Mythen (angebotsinduzierte Inflation, künstlich überhitzte Wirtschaft, automatischer Zusammenhang von Schulden, Geldmenge und Inflation) und bemüht die Schlagworte der Wirtschaftsliberalen (Geldschwemme, Zeitbombe). Um gegen jede Evidenz zu zeigen, dass die Wirtschaft überhitzt ist und die Ausweitung der Geldmenge für die derzeitige Inflation verantwortlich ist, wird auch der Taschenspielertrick mit der Berechnung der Inflation (vor dem Ukraine Krieg) angewendet, nämlich den Effekt der temporäre Mehrwertsteuersenkung der etwa 2% beträgt nicht zu berücksichtigen. Die angegebenen 5,7% schrumpfen damit auf bescheidene 1,7% über der Zielinflationsrate der EZB. Zudem wird verschwiegen, dass das Inflationsziel von 2% trotz Niedrigzins und Ankauf von Staatsanleihen über Jahre verfehlt wurde. Auch das Beispiel Japan, das bei einer Staatsverschuldung von über 250% immer noch nicht pleite ist, straft die neoliberalen Propagandisten Lügen.
Ist die europäische Wirtschaft wirklich überhitzt? Vielleicht bei Dieselautos, aber es gibt enorme Reserven die unbedingt mobilisiert werden müssen, um den oben genannten Investitionsschub leisten können.
Es ist wirklich erstaunlich, dass der Autor so tut als ob diese Rezepte der Vergangenheit nicht Griechenland ruiniert hätten und in vielen anderen europäischen Ländern schweren Schaden angerichtet haben. Dass die heutigen Schulden zukünftige Generationen zurückzahlen müssen ist ein Mythos, dass sie aber für die heute versäumten Investitionen teuer bezahlen müssen, ist so sicher wie das Amen in der Kirche.