Es fängt damit an, dass dem Schreiber schon in seiner bloß aus zehn Wörtern bestehenden Überschrift ein so derber und peinlicher Fehler "gelingt", wie er einem durchschnittlichen Mittelstufenschüler eigentlich nicht mehr passieren sollte, und das auch noch in einer längst zu Tode zitierten Allerweltsredewendung ("kreiste" statt "kreißte"), so dass die Erwartungshaltung gegenüber dem Artikel schon keine hohe mehr sein konnte – mal ganz davon abgesehen, was es auch über die Redaktion aussagt, dass die eine solche Überschrift unkorrigiert veröffentlicht.
Dass der Artikel inhaltlich eine nur dumme, der Scheinseriosität halber womöglich mit vielen Zahlen vollgemachte homophobe Hetzschrift sein würde, versprach dann auch schon unmittelbar der nächste Satz – um eine quantitative Bedeutung "von LGBT" soll es also gehen.
Was soll das sein, "quantitative Bedeutung"? "Bedeutung" ist bei halbwegs komplexen Gegenständen per se etwas Qualitatives. Eine quantitative Feststellung hat nicht automatisch "Bedeutung", sondern bedarf einer qualitativen Beurteilung zur Übersetzung in eine "Bedeutung". Eine Quantität, eine bloße Zahl, hat keine allein in ihr selbst wohnende, womöglich gar allgemeingültige Bedeutung, sondern diese hängt sowohl vom Gegenstand der Betrachtung als auch von ihrer Beurteilung in dem Kontext ab, über den etwas ausgesagt werden soll – etwa, wie der Artikel es explizit behauptet oder vielmehr heuchelt zu tun, im Hinblick auf eine gesellschaftliche Bedeutung.
Homann drückt sich dann auch um jede begründete Beurteilung, sondern nennt nur die Zahlen und behauptet einfach nur angesichts deren Höhe, die Bedeutung müsse gering sein – das ist aber eben nur seine, gänzlich unbegründete, implizit erfolgte und einfach mal so dahingeschriebene, eigene, persönliche Beurteilung.
Auch auf die Idee, dass für die (notwendig qualitative) Beurteilung der gesellschaftlichen Bedeutung eines (quantitativen) Sachverhalts und, infolgedessen, der Frage, wieviel Aufmerksamkeit diesem gebührt, vielleicht auch erst mal die Gesellschaft selbst zuständig sein könnte, kommt er nicht (jedenfalls solange das Ergebnis niemandem schadet und niemanden bedroht – dass die Gesellschaft, über die wir hier reden, gerade in dieser Hinsicht oft genug zu fragwürdigen Beurteilungen kommt, darüber brauchen wir wiederum nicht zu diskutieren).
Nehmen wir mal an, in Deutschland etabliert sich ein Kult, zu dessen Ritualen das Ertränken siebzehnjähriger Männer gehört, von diesen gab es in Deutschland 2015 ca. 433.000, und jedes Jahr fallen diesem Kult plötzlich 400 junge Männer zum Opfer. Die Polizei tappt im Dunkeln, der Kult scheint über Organisationsstrukturen und Methoden zu verfügen, die die polizeilichen Möglichkeiten übersteigen und überfordern. Politik und Gesellschaft rufen nach neuen Spezialeinheiten, einer Aufrüstung und Weiterentwicklung der Polizei speziell für diese neue Form der Kriminalität. Und jetzt? Die Ritualmorde betreffen doch nicht mal ein Promille der Siebzehnjährigen, ganz zu schweigen von dem Anteil der Opfer an der Gesamtbevölkerung! Ist doch gesellschaftlich völlig irrelevant! Was soll das, dafür Anstrengungen oder gar Geld zu investieren?
Das ist das Argumentationsprinzip, die Hetzmethode des Artikels. In Anschlag gebracht wird sowas natürlich immer nur gegenüber Ideen und Bestrebungen, die solche Autoren persönlich für unwichtig halten oder von vornherein ablehnen – was offen zuzugeben sie im Zweifelsfall natürlich zu feige sind. Natürlich wissen sie, dass ihnen aus einer wenigstens ansatzweise zivilisierten Gesellschaft Gegenwind drohte. Deswegen verpacken sie ihre Demagogie gegen zivilisatorischen Fortschritt in die Scheinobjektivität von Zahlen. Man nennt es auch Lügen mit Zahlen (ich verweise da immer wieder gerne auf das gleichnamige Buch eines Statistikprofessors namens Gerd Bosbach). Dass Unrecht nicht Recht und nicht dadurch besser wird, dass es nur wenige betrifft, interessiert sie nicht.
Dass der Artikel darüber hinaus noch weitere unbegründete Behauptungen und unsubstantiierte Folgerungen beinhaltet, um an seinem Ziel anzukommen, nämlich der Forderung, dass Schwule (usw.) und ihre Fürsprecher/innen gefälligst die Klappe zu halten hätten (egal wie benachteiligt sie seitens des Staats etwa im Hinblick auf die steuerliche und rechtliche Behandlung von Lebensgemeinschaften noch sind), versteht sich von selbst ("wenig zu erwarten, dass dieser Anteil sich durch das neue Institut der 'Ehe für alle' deutlich erhöhen wird", "spricht nicht viel dafür, dass diese Zahl [eingetragene Lebensgemeinschaften, d.d.] dadurch steigen wird") – es ist unnötig, darauf im Einzelnen einzugehen, zumal es sich um Strohmannargumente handelt, indem die darin formulierten Ziele so hingestellt werden, als seien das die Ziele der Befürworter von rechtlicher Gleichstellung verschiedener Formen von Lebensgemeinschaft und als müssten sie das sein, um die Befürwortung zu rechtfertigen. Was natürlich, wie alles andere, schlicht Quatsch ist.
d. d.
Das Posting wurde vom Benutzer editiert (16.07.2017 13:48).