Rkahr schrieb am 29.09.2023 16:58:
"Ein neuer "Befreier" des ukrainischen Volkes, Führer Hitler, herrschte über das Land Berezhany. In jedem Klassenzimmer hingen Porträts von Hitler in einem langen Mantel mit hochgezogener Kutte, die ein furchterregendes Gesicht mit kleinen, künstlich angelegten Schnurrbärten unter der scharfen Nase umhüllte, und der Aufschrift "Hitler der Befreier". Der Führer zeigte sofort seine Absichten gegenüber der Ukraine, indem er die provisorische ukrainische Regierung in Lemberg auflöste und die ukrainischen Führer in Konzentrationslager schickte.
Es folgte eine neue Welle von Verhaftungen. Der neue Feind war leichter zu bekämpfen, weil er a) leicht zu erkennen war, b) eine Sprache sprach, die uns fremd war, und c) unsere Gesellschaft nicht mit Sex infiltrierte, wie es der Moskauer getan hatte.
Im Gymnasium wurde Wissenschaft im nationalen Geist mit religiösen Vorträgen unterrichtet. Wir konnten frei und ohne Angst miteinander über verschiedene Themen sprechen, auch über Politik. Nun wurde Professor Mykhailo Rebryk der Strengste und beschloss, uns alle zur Vollkommenheit der Herren zu erziehen, was unmöglich zu erreichen war!"
Nur ein bisschen heimweh, oder?
Es ist ein Teil einer Schilderung. Hier beschreibt er wahrheitsgetreu den Zeitgeist und die Umstände und wie er die als Kind/Jugendlicher empfand. Ist es nicht völlig normal, dass ein Kind gefühlte Freiheit als angenehm empfindet - auch wenn es nur eine scheinbare ist und der noch naive Geist den Schrecken dahinter noch nicht erkennt?
Er schrieb seine Erinnerungen nieder - die nichts mit dem zu tun haben müssen, wer er heute ist und wie er heute über Hitler denkt. Aaaber... anhand dieser Beschreibung kann man gut nachvollziehen, wie es dazu kommen konnte, dass junge Ukrainer sich der SS anschlossen. Die wussten nichts von dem Grauen, das dass Hitlerregime anderswo anrichtete und glaubten, es wäre das Himmelreich auf Erden. So wie heute die Menschen in Nordkorea oder Russland ihre Heimat und deren Regimes empfinden, wenn sie nichts anderes erfahren als die Propaganda, die sie genau DAS denken lassen soll.
Nein, ich will ihn nicht verteidigen, sondern versuche nur zu verstehen, wie Menschen so derbe in die Irre laufen können, denn genau DAS passiert schließlich auch heute noch immer wieder. Seine Verteidigung soll ein Anwalt übernehmen, wenn er vor Gericht gestellt wird. Wenn er gemordet hat oder Morden zugeschaut oder mindestens von solchen gewusst hatte ohne dagegen etwas zu unternehmen, dann soll er dafür büßen -auch wenn es vielleicht nur noch wenige Tage sein werden, da er ja schon so alt ist. Wenn er nur verblendet irgendwie dabei gewesen war, möge man Gnade vor Recht ergehen lassen.
Gnade vor Recht erfuhren auch wir nach der Unterwerfung durch die Alliierten, die uns mit dem Marshallplan auf die Beine halfen, statt unser Volk für alle Ewigkeit zu verdammen. Ich würde auch den Russen gerne Gnade vor Recht zukommen lassen, aber dafür müssten sie Einsicht gegenüber ihren Verbrechen zeigen und beginnen, ihre Vergangenheit aufzuarbeiten.