Zitate aus dem Artikel kursiv und in „“-Zeichen:
„Über den Lebenssinn und Kritik an der Du-kannst-alles-erreichen-wenn-du-nur-willst-Ideologie“
An der Frage nach dem Sinn des Lebens haben sich schon so viele Leute die Zähne ausgebissen. Ich neige zu der Ansicht, dass allein die Frage falsch gestellt ist.
Diese "Du-kannst-es-erreichen"-Ideologie ist in Deutschland meines Erachtens ohnehin nicht verbrietet.
Hier in Deutschland neigt man dazu, die Welt genauso grau und trostlos darzustellen, wie sie einem Hoffnungslosen erscheint.
Doch kommen wir zur Sache!
„Laut seiner (englischen) Wikipedia-Seite, die übrigens mit mehreren Warnhinweisen beginnt, die Darstellung sei nicht neutral, verkaufte er über 3 Millionen seiner Bücher, die in 33 Sprachen übersetzt worden seien.“
Diese Warnung müsste bei jedem Aufruf von Wikipedia sofort erscheinen. :-)
„Typisch amerikanisch unterhalten sich John, Casey (die Bedienung), Mike (der Koch) und Anne (ein zufälliger anderer Gast) bei ihrer ersten Begegnung so zwanglos miteinander, als seien sie alte Freunde.“
Das mag man kritisieren oder nicht. Wenn man als Fremder in einer fremden Stadt ist und sofort so behandelt wird, dann kann man im Vergleich zu manchen anderen Ländern schon dankbar sein.
In spröden norden Deutschlands etwa soll es ewig dauern, bis die Leute zumindest ein bisschen auftauen und von "englischen Freundschaften" hat wohl auch schon jeder gehört.
Ich persönlich sehe das eher als was postives an.
„Das ist schon ein besonderes Kunststück, etwas zu bemerken, das man gar nicht bemerkt.“
Wieso? Er bemerkte es zu dem Zeitpunkt nicht, aber kam später irgendwie darauf.
„Andererseits sollen die Leser aber schlucken, (...)“
Als alter Leser von Science Fiction, das sind diese "Schmudelhefte" der "Trivialliteratur", bin ich da jetzt nicht so schrecklich schockiert. Sorry.
Ich glaube, inzwischen ist so etwas schon mehr oder weniger im Mainstream angekommen.
„Streleckys Erfolgsmodell beruht nun aber vor allem auf der Idee, dass der Erfolg auf beinahe magische Weise von selbst einkehrt, wenn wir tun, was wir wirklich wollen.“
Das erinnert mich jetzt ein wenig an manche protestantische Prediger. Die glauben auch, dass Gott mit jedem Menschen auf der Welt eine spezielle Aufgabe verbindet.
Der Grundgedanke ist vielleicht nicht so schrecklich absurd.
Betrachtet man das Ganze mal abstrakt, kann man schon auf die Idee kommen, dass jeder Mensch eine potenzielle Position hat, in der er für sich selbst und seine Mitmenschen eine Art Optimum erreicht.
Da wird natürlich Magie keine Rolle spielen.
„Die im Buch vermittelte Denkweise hat aber auch noch eine Schattenseite: Sie macht uns nämlich nicht nur für unser Glück, sondern auch für unser Scheitern vollständig verantwortlich. Mit anderen Worten sind dann diejenigen, die ihr Schicksal nicht selbst bestimmen können, die nicht das erreichen und tun können, was sie im Leben möchten, selbst schuld. Versager. Welch ein bitteres Los!“
Den meisten Menschen fehlt die Selbstkritik und -reflexion und vielleicht ist das auch gut so.
Wir wollen und müssen möglicherweise unser Selbstbild aufrecht erhalten.
Erfolge schreiben wir deshalb uns selbst, unseren Talent, unseren weisen Entscheidungen oder sonstigen zu. Misserfolge dagegen sind IMMER bedingt durch widrige Umstände und hätten anderen genaus passieren können.
Im Grunde genommen stehen wir hier vor einer viel größere, tieferen, aber sehr viel philosophischeren Frage. Die Frage nach Willensfreiheit, Verantwortung und Determination.
Wofür ist der Mensch verantwortlich und wofür nicht. Für die Umstände der eigenen Geburt ist wahrscheinlich kein Mensch verantwortlich aber den Nachbarsjungen zu verprügeln, das gibt später Ärger zu Hause. Beides hat ernste Konsequenzen.
Vielleicht haben wir es hier mit einer aristotelische Position zu tun. Wir müssen die goldene Mitte finden. Die meisten Menschen werden ihr Scheitern eben nicht bei sich selbst suchen, deshalb muss man ihnen genau das Gegenteil sagen. Jeder ist seines Glückes eigener Schmidt.
Das stimmt zwar nicht, aber die meisten Leute werden dadurch in der goldenen Mitte ankommen.
„Dass ich daran etwas ändern könnte, erscheint mir völlig unrealistisch.“
Dann schreiben eben, dass du Bundeskanzler werden willst... Okay, der Posten hat, Gott sei Dank, nicht so viele Einflussmöglichkeiten, aber ist für einen Deutschen problemlos erreichbar. Sofern er bereit ist, in das Intrigenspiel der Parteien hineingezogen zu werden, natürlich.
„Das mag auch für Wissenschaftler bitter sein (...)“
In der Politik bekommen die Menschen die Fördergelder, die nachweisbar erfolglos sind. ;-)
„Wenn wir nur annehmen, dass von 100 konkurrierenden Wissenschaftlern wenigstens 50 im Leben wirklich Wissenschaftler werden wollen, dann wird dieser Wunsch unter den genannten Bedingungen wohl bei 20-30 von ihnen nicht in Erfüllung gehen.“
Es gab im 19. und 20. Jahrhundert jede Menge bedeutende Entdecker, Gelehrte und Wissenschaftler, die KEINE Forschungsgelder erhielten oder eine akademische Stellung inne hatten.
Nehmen wir nur Darwin oder v. Mayer oder sogar der alte Schopenhauer.
Das waren alles Leute, die auf ihren jeweiligen Gebiet ein gewisses Aufsehen erregten, ohne jedoch institutionell absichert zu sein. Im 20. Jahrhundert haben wir noch das berühmte Beispiel Einstein. Ein Patentbeamter revolutionierte die Physik seiner Tage.
Es ist eben ein Unterschied ob man für die Wissenschaft lebt oder von der Wissenschaft lebt, um Schopenhauer aufzugreifen.
„Faktisch gesehen besitzt ohnehin die Mehrheit der Gesellschaft Deutschlands so gut wie nichts und nur eine Minderheit immer mehr, wobei sich der Abstand weiter vergrößert.“
Tja, der Immobilienbesitz in Deutschland ist im europäischen Vergleich sehr gering und statt sein Geld für die Altersvorsorge anzulegen, zahlt der Deutsche lieber Mieten.
Hinterher wird nach dem Staat gerufen und der muss das Geld dann irgendwo her beschaffen. Fällt was auf?
Natürlich ist das zugespitzt. Der deutsche Weg ist jedenfalls der unattraktivere und das wissen wir im Grunde auch.
„Alternativen“
Ähm. Sind das wirklich "Alternativen"?
Also würde der Leser, der das Cafe-Buch kauft stattdessen vielleicht auch den kleinen Prinz lesen oder verhalten sich diese beiden Bücher zueinander wie Call of Duty zu einer Ausgebe von Shakespeares Sonetten oder Star Wars zu einer medizinischen Abhandlung?
Bloß weil beides Bücher sind...
„Urheber- und Erbrecht sei dank - (...) Im französischen Original übrigens ist das Buch inzwischen gemeinfrei.“
Der Seitenhieb auf das Urheberrecht mag einem im Telepolis-Forum viel Zustimmung bringen, aber wollen wir wirklich, dass ein Künstler für sein Schaffen nicht mehr bezahlt werden kann?
„Wem Erzählungen nicht so zusagen, für den ist vielleicht Bronnie Wares Buch über die Dinge, die Sterbende am meisten bereuen, ein guter Tipp.“
Ich glaube, das entspricht nicht so ganz meinen Vorstellungen von einer gute Nacht-Lektüre... Nunja.
„In Deutschland wie auch in den Niederlanden herrscht ja eine universitäre Monokultur in dem Sinne, dass alle Lehrstühle an öffentlichen Universitäten von Vertretern der kognitiven Verhaltenstherapie besetzt sind.“
Ich erinnere mich da dunkel an Wirkungsstudien, in denen Verhaltenstherapie ziemlich gut abschnitt, während die tiefenpsychologischen Verfahren, die Hauptkonkurrenten, eher mau abschneiden.
Wird wohl an mir liegen...
Am Ende:
Mist, ich hätte nicht mit den Saufen anfangen sollen, bevor ich diese Kritik schreibe... (War natürlich nur ein Scherz, wer trinkt schon zu Silvester.)
Dann mache ich mal ein paar Buch-Empfehlungen: Die Sudelbücher von Lichtenberg. Topaktuell, wenn man der Ansicht ist, dass sich seit dem 18. Jahrhundert eh nix neues mehr ergeben hat. Sonst haben sie eine zeitlose Qualität, da hier der Autor seine Gedanken, teils Träume, Sprüchlein, witzige Einfälle usw. für sich selbst notiert hat.
Der Autor war recht geistreich. Einige der Einträge regen ganz schön zum Nachdenken an.
Wer dagegen lieber Erzählungen lesen tut, dem empfehle ich natürlich Douglas Adams.
P.S.: Guten Rutsch und Frohes Neues an den Autor und alle, die das hier lesen!