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  • Stephan Schleim

mehr als 1000 Beiträge seit 27.01.2005

Voraussetzungen von Freiheit Eigenverantwortung

Nützy schrieb am 02.01.2020 11:09:

In Fall (1) könnte der Bürger natürlich eine Regierung wählen oder sich in Petitionen, öffentlichen Streitschriften und/oder durch Arbeiten in der Partei dafür einsetzen, diese für ihn schädliche Regulierung abzubauen.

Das hört sich schön auf dem Papier an…

…in der Realität informieren sich Bürgerinnen und Bürger vor allem über Medien, die (1) entweder superreichen Menschen gehören oder (2) inhaltlich von Politikerinnen und Politikern sowie Kirchenvertretern o.ä. kontrolliert werden.

In Großbritannien ist es schon so weit, dass die Regierung Medien Berichte über bestimmte Themen verbieten kann (alles natürlich im Interesse der "nationalen Sicherheit"). Oder schau dir die Situation in Spanien an. Oder das Bild, das die Untersuchungsausschüsse etwa zum NSU oder Amri zeichnen, dass nämlich selbst die vom Volk (laut Verfassung der Souverän) gewählten Repräsentanten von der Regierung, die sie kontrollieren sollen, keine Akteneinsicht bekommt (wieder alles im Interesse der "nationalen Sicherheit").

Kurzum, man braucht erst gar nicht auf die Türkei, Russland oder China zu zeigen – auch ganz in unserer Nähe ist der demokratische Rechtsstaat in Gefahr. Macht- und Finanzinteressen durchziehen unsere Gesellschaft, unsere Medien, und viel davon ist überhaupt nicht sichtbar (wenn man jahrelang kritische Medien wie Telepolis liest, bekommt man eine Ahnung davon).

Jetzt singst du das Hohelied von Freiheit und Eigenverantwortung. Diese setzen aber Wissen und Können voraus. Warum lernt man in der Schule so wenig über Ökonomie oder wie Recht funktioniert? Dabei ist das doch die DNA unserer Gesellschaft.

Der Durchschnittsbürger hat nur einen Bruchteil des Vermögens beziehungsweise so gut wie gar nichts; er hat kaum Wissen und auch kaum Informationen. Vor allem hat er aber so gut wie keine Macht, auf Gesetze so Einfluss zu nehmen, dass er im Wettbewerb überhaupt nur eine faire Chance hat. Die Regeln bestimmen vor allem diejenigen, die heute schon viel Macht und Vermögen besitzen.

Beantworte mir doch nur diese eine Frage: Warum konzentriert sich denn immer mehr Vermögen in immer weniger Händen? Wenn dir das nicht die Praxisferne deiner Gedanken aufzeigt, dann weiß ich auch nicht mehr weiter.

Im 2. Fall ist die Sache sogar noch einfacher: Er gründet eine Genossenschaft oder tritt einer solchen bei und vergibt darüber einfach selbst solche Kredite oder Gelder.

Selbsthilfe!

Hilfe zur Selbsthilfe – ja, das ist ein erster Schritt. Aber machen wir uns doch nichts vor: Dieses Hohelied singen Sozialpädagogen seit Jahrzehnten.

In der englischen Literatur nennt man dies auch "Empowerment". Das wäre der Weg. Man macht es aber nicht. Denn dann müssten diejenigen mit viel Macht ja einen Großteil ihrer Macht abgeben – und wieso sollten die das tun?!

Also du meinst sowas wie Arbeitslosengeld oder staatlich garantierte Renten?

Das halte ich für sehr kurzsichtig gedacht: Der seit den späten 1990ern von der sogenannten SPD so schlecht geredete Wohlfahrtsstaat war die Antwort politischer Entscheidungsträger auf die Katastrophe des Zweiten Weltkriegs: Um zu verhindern, dass Massen erst in Armut gedrängt werden und dann Rattenfängern hinterherlaufen, die ihnen das Blaue vom Himme versprechen, sollte der Sozialstaat einspringen.

Mich überrascht es nicht, dass nach über zehn Jahren Sozialstaatsabbau (Stichworte: Hartz IV, "Fördern und Fordern", "Wer nicht arbeitet soll auch nicht essen" etc.) wieder mehr Menschen solchen Rattenfängern hinterherlaufen.

Sozialleistungen fangen Menschen auf (ähnlich der Tafeln). Das ist eine Stabilisierungsmaßnahme. Damit sind wir aber noch lange nicht beim Empowerment.

Das heißt, das Großmütterchen um die Ecke, die von einer kleinen Witwen-Rente leben muss, ist eine reiche Spekulantin, weil sie Geld in Immobilien-Fonds anlegt? Wieder was gelernt in Deutschland.

LOL, also echt jetzt? Arme Rentner treiben die Blasenentwicklung an den Finanzmärkten? Ich empfehle einen Realitätscheck.

Sparen vs. kurzfristiger Konsum!
Damit werden Volkswirtschaften aufgebaut.

Das war früher vielleicht einmal so. Die Rendite aufs Sparen liegt doch inzwischen weit unter der Inflationsrate. Sparen ist die neue "politisch korrekte" Umverteilung von ärmeren zu reicheren Menschen (die ihr Geld schon seit Langem in Immobilien, Aktien, Edelmetallen, Steueroasen etc. haben).

> Woher soll dieses individuelle Recht kommen?

Daher, wo auch das Recht auf Meinungsfreiheit, auf einen fairen Prozess und dergleichen mehr herkommt.

Es ist die Übereinkunft der Bürger, ihre Eigentum gegen willkürliche Zugriffe des Stastes zu schützen.

Darum geht es doch gar nicht.

Der Staat gewährt überhaupt erst einmal die Möglichkeit auf Privateigentum. Ansonsten käme die nächstgrößere Bande und nähme dir schlicht weg, was du hast.

Ich bin für Privateigentum – das Erwerben mit Privateigentum sollte aber auch etwas mit der Leistung des Einzelnen zu tun haben.

Wenn sich eine kleine Gruppe mit einem immensen Teil des Eigentums immer mehr vom Rest der Gesellschaft abschottet, dann haben die Anderen schlicht keine faire Chance mehr auf den Erwerb von Privateigentum.

Selbst der Hartz-IV-Empfänger, der tatsächlich in mancher Hinsicht am Rande der Gesellschaft steht, hat mit dem Internet größeren Zugriff auf Informationen als es Leibniz oder Aristoteles jemals hatten. Und das für den Gegenwert von etwa zwei oder drei Sandwich.

Mit Verlaub – aber solche Argumente halte ich für Augenwischerei.

Hinter "Zugriff auf Information" verbirgt sich das Google-Rauschen. An die Informationen, mit denen etwa kleine Gruppen an der Wall Street das große Geld verdienen, kommt dein Hartz-IV-Empfänger nie ran.

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