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404 Beiträge seit 08.01.2008

"Fetzen" ist eindeutig beleidigend

Das Wort "Fetzen" hat in Österreich viele Bedeutungen (z.B.: Teil,
Lumpen, Rausch, negative Schulnote u. als Verb "fetzen" auch schnell
rennen oder (regional) urinieren ("in die Hose fetzen")). Wenn man
den Ausdruck auf Textilien anwendet, bedeutet er so viel wie "Lumpen"
und ist auf jeden Fall stark abwertend. Insofern ist die
Entschuldigung des Richters ("wenn sich dadurch jemand beleidigt
fühlt...") sehr scheinheilig, die Angeklagte konnte diese Bezeichnung
gar nicht anders auffassen.

Mir sind bei der gesamten Berichterstattung zu diesem Fall zwei Dinge
aufgefallen: Zum einen ist für mich nie ganz klar herausgekommen, was
den ursprünglich drei und jetzt zwei Islamisten eigentlich konkret
vorgeworfen wird. Mal war es das (von gerade der Pubertät
Entwachsenen produzierte und daher sicherlich sehr ernst zu nehmende)
"Drohvideo", mal war es der Aufruf zu einem Wahlboykott bei der
letzten Nationalratswahl (der im Nachhinein nicht anders als als
gerechtfertigt zu bezeichnen ist), zumeist jedoch reichte den österr.
Medien die "Gründung einer terroristischen Vereinigung" zur
Bezeichnung als "Islamisten", wobei eben nie ganz klar herausgekommen
ist, was es in Österreich bedarf, um eine Terrororganisation zu
gründen. Terroristische Anschläge (oder auch nur deren Planung)
gehören offenbar nicht zwingend dazu.
Die Gründe für Verhaftung (in derem Rahmen die elterliche Wohnung des
dort wohnenden Angeklagten auf ziemlich brutale Weise gestürmt und
beschädigt wurde) und jetzt Prozeß liegen meiner Ansicht nach eher in
der zweiten Besonderheit dieses Falles: Ca. eine Woche vorher waren
nämlich die bundesdeutschen Wasserstoffperoxid-Terroristen verhaftet
worden und da wollte man natürlich nicht hintan stehen. Schon das vor
ca. einem Jahr erfundene "Komasaufen" war nach knapp zwei Wochen
Berichterstattung in D plötzlich auch in Ö ein Problem und so hat man
sich wohl auch hier gedacht: Wenn die Deutschen ihre Islamisten
haben, wollen wir eben auch welche. Da es solche aber in Österreich
nicht gab, mussten sie eilends erfunden werden mit dem Ergebnis, das
jetzt ein Tatgegenstand, der eigentlich über einen Lausbubenstreich
nicht wirklich hinausgeht als terroristischer Akt verkauft wird. Es
geht nicht einmal darum, ein Exempel zu statuieren (dazu müssten
potentielle Nachahmer vorhanden sein), sondern wirklich nur um das
Besterben, auch dazu zu gehören (zu den Staaten mit realer
terroristischer Bedrohung).
Das mag für einen Außenstehenden recht absurd klingen, wer aber die
österreichische Medienlandschaft (die natürlich auch Entscheidungen
der Politik und Exekutive beeinflußt) einigermaßen kennt, der kommt
nicht umhin, derselben einen starken Hang zum Nationalismus bei
gleichzeitigem Minderwertigkeitskomplex gegenüber anderen, größeren
(und vermeintlich interessanteren) Staaten zu attestieren. (Aus
diesem Grund will ja auch der unsägliche Platter seinen deutschen
Big-Brother-Kollegen Sträuble ständig überflügeln, was ihm in Bezug
auf Überwachungsstaat auch zu gelingen scheint)
Traurig ist das Ganze v. a. für die (längst vorverurteilten)
Angeklagten, die für ihre Videos vermutlich lange Haftstrafen
bekommen werden. (Wesentlich mehr zu einer möglichen Gefährdung
Österreichs durch islamische Terroristen hat im übrigen Frau Susanne
Winter (FPÖ) beigetragen, die Mohammed als Kinderschänder bezeichnet
hat, und die sich der Tragweite ihrer Handlungen als Politikerin doch
mehr bewußt sein sollte als irgendwelche Zwanzig-Jährigen.)


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