Interessante Überlegungen.
Aber ich bezweifle, dass sich das "Model Tschetschenien" ohne weiteres von einem 1,3 auf einen 44 Millionen Staat übertragen lässt.
Es bleibt die wichtige Erkenntnis: Eine Zerschlagung der Ukraine schafft für Russland viel mehr Probleme als es löst.
Falls die Ukrainer sich doch verteidigen können sieht alles besser aus - auch für Russland. Die Ukraine braucht dann keine NATO-Mitgliedschaft mehr, sie hätte bewiesen, dass sie auch ohne stark genug ist. Damit ist der erste Kriegsgrund abgeräumt.
Für den Verzicht auf die Krim und den Dombass braucht es einen Präsidenten mit der Autorität und Popularität von Selenskyj. Wenn einer das aussprechen könnte, ohne sofort zum Teufel gejagt zu werden, dann er. Der Verzicht wäre der Preis dafür, dass die Ukraine wieder handlungsfähig wird, sich aus dem Klammergriff Russlands lösen und ihren Weg Richtung Europa fortsetzen kann. Für Putin wäre das die Trophäe, die er braucht um die hohen Verluste zu rechtfertigen und die fehlgeschlagene Invasion doch noch als Sieg verkaufen zu können.
Damit wäre der zweite Kriegsgrund abgeräumt.
Putin müsste akzeptieren, dass die Ukraine für Russland verloren ist. Ich denke, Putin hätte kein Problem damit seinen Landsleuten zu verkaufen dass Russland sich die wertvollsten Teile der Ukraine ja gesichert hat und man die ganzen Nazis und die Kosten für den Wiederaufbau dieses nutzlosen Staates jetzt elegant an den Westen weiterschieben kann. Damit wäre der dritte Kriegsgrund abgeräumt.
Für die EU wäre eine Aufnahme der Ukraine ein Nullsummenspiel. Ein schneller Aufbau mit EU-Geld würde viele Flüchtlinge zur Rückkehr animieren, die dann nicht mehr die Aufnahmeländer, also vor allem Polen, belasten. Vielleicht tut die Ukraine der oft im Kleinklein verhedderten EU ganz gut - ein Land, das sich gegen eine russische Panzerarmee verteidigt hat um nach Europa zu kommen, so etwas haben wir in der EU noch nicht. Mehr Beweis der Liebe zu Europa geht nicht.
Alles könnte gut werden. Nur dürfen die Russen dafür nicht gewinnen. Vielleicht hat die Außenamtssprecherin ja tatsächlich ausnahmsweise doch die Wahrheit gesagt und Putin hat begriffen, dass er Selenskyj braucht. Das wäre dann allerdings so ziemlich der erste lichte Moment, den Putin in diesem ganzen Konflikt gehabt hätte.