Das Wunschdenken der Entscheidungsträger muss endlich aufhören.

Deutschland importierte zwischen Januar und November 2021 insgesamt 129.3*10^9 m3 Erdgas und der Anteil des russischen Erdgases beträgt satte 50% (gem. BAFA 01/2022). Zudem ist politisch gewollt, dass die durch das Abschalten von Kohle- und Atomkraftwerken bereits weggefallene und die absehbar noch wegfallende Stromproduktion durch Gaskraftwerke ersetzt wird. Dabei spielt die Energiewende insofern keine Rolle, da eine stabile Stromversorgung auch bei einem rasanten und exorbitanten Ausbau der erneuerbaren Energien nur dann möglich ist, wenn gleichzeitig ein konventioneller Kraftwerkspark (politisch gewollt sind Gaskraftwerke) zur Verfügung steht, um den Winter und Dunkelflauten überbrücken zu können - Sonne und Wind sind bekanntermassen leider sehr volatil. Folglich wird die BRD, auch bei einem günstigen Verlauf, in der Zukunft noch viele Jahre erheblich mehr Erdgas benötigen als heute.

Vor diesem Hintergrund erklären uns Phantasten und Journalisten (die sich ganz offensichtlich intellektuell prostituieren) locker flockig vom Hocker, dass Europa das Erdgas aus Russland anderweitig beziehen könne. Selbst wenn man ausklammert, dass bei einem Stopp der Erdgaslieferungen aus Russland z.B. Holland gezwungen sein könnte den Export von Erdgas nach Deutschland zu stoppen und dass auch die europäischen Nachbarn viel russisches Erdgas importieren, was den Mangel in Deutschland zwangsläufig nochmals erheblich verschärfen würde, woher sollen alleine die in der BRD minimal fehlenden 60*10^9 m3 Erdgas kommen?

LNG-Tanker scheiden aus, die Transportkapazität ist viel zu klein, selbst wenn die Tanker wie bereits geschehen im US-Auftrag russisches Erdgas im Hafen Sabetta auf Jamal laden und mit einem mächtigen Preisaufschlag als "Fredom Gas" nach Europa liefern, das reicht nicht einmal ansatzweise. Katar wäre in der Lage etwa jährlich ca. 60*10^6 m3 Erdgas als LNG liefern, sage und schreibe rund 1 ‰ der in der BRD erforderlichen Menge, das wird uns den Arsch sicherlich nicht retten. Zudem würden die Kosten für Erdgas nochmals erheblich steigen, wenn das Gas auf dem Spotmarkt gekauft werden muss. Demgegenüber bekommt Europa durch die langfristigen Lieferverträge mit Russland Gas zu erheblich bessere Konditionen. Pikant ist, dass auf Druck der EU-Kommission ein Verbot von langfristigen Lieferverträge durchgedrückt wurde. Böse Zungen behaupten, dass diese Entscheidung getroffen wurde, um europäischen Banken pompöse Spekulationsgewinne zu ermöglichen.

Aber nehmen wir einmal an, es gäbe sowohl genügend LNG-Produktionskapazitäten und genügend LNG-Tanker um Europa stabil mit Erdgas zu versorgen. Leider wird die Sache auch dann scheitern, da die in Europa vorhandenen LNG-Terminals nicht ansatzweise in der Lage sind die notwendigen Volumen zu aufzunehmen und in die Pipelines einzuspeisen. Selbst wenn man wollte, der Aufbau der notwendigen LNG-Kapazitäten würde meines Erachtens mindestens 10 Jahre benötigen. Folglich wird Europa auch unter optimalen Bedingungen in den nächsten Jahrzehnten keinesfalls auf Erdgas aus Russland verzichten können.

Daher sollten die Entscheidungsträger der Bevölkerung endlich reinen Wein einschenken und eingestehen, dass wir noch für viele Jahre grosse Mengen Erdgas aus Russland beziehen müssen. Ansonsten werden die Volkswirtschaften in Europa absehbar schweren Schaden erleiden. Im Vergleich dazu dürfte die Corona-Krise als Kindergeburtstag durchgehen. Für mich ist das ein starkes Argument, um (insbesondere mit Russland) eine gute europäische Nachbarschaft zu pflegen. Stattdessen spielen die Politiker auf Zeit und wenn es schiefgeht, drohen langfristige Ausfälle des elektrischen Stroms, an eine stabile Energieversorgung ist nicht mehr zu denken und im Winter werden die Menschen frieren. Dann werden die Kriegstreiber der Bevölkerung erklären, dass der Misere nicht politische Fehlentscheidungen von historischem Ausmass zugrunde liegen, die Europa selbst zu verantworten hat, sondern, dass der "böse" Putin daran schuld ist.