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SZ: Rotes Kreuz über vsa: "System der Grausamkeit" in Guantánamo

aus:
> http://www.sueddeutsche.de/ausland/artikel/923/43880/
>>
30.11.2004   18:05 Uhr

Rotes Kreuz beschuldigt US-Militär

"System der Grausamkeit" in Guantánamo

Der Vorwurf der Hilfsorganisiation: Die Gefangenen auf dem Stützpunkt
würden mit psychischer und manchmal auch mit physischer Gewalt
"gleichbedeutend mit Folter" eingeschüchtert. Washington weist die
Anschuldigung entschieden zurück.
Von Marc Hujer




Beten Richtung Mekka: INsassen des US-Militärgefängnisses in
Guantanao.
Foto: AP


Dem Bericht in der New York Times zufolge ist es das erste Mal, dass
das Rote Kreuz die Zustände in dem Militärstützpunkt auf Kuba in
derart scharfer Form anprangert.

Der Bericht geht detailliert auf Verhörmethoden ein, die eine
„schamlose Verletzung der medizinischen Ethik“ bedeuten. So gäben die
in Guantanamo beschäftigten Ärzte persönliche Daten über den
Gesundheitszustand der Gefangenen an die Verhörspezialisten weiter,
damit diese sich besser auf Befragungen vorbereiten könnten.

Dabei soll es sich um Informationen über psychische Krankheiten oder
auch über besondere Verwundbarkeiten der Insassen handeln.


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System der Erniedrigung

Das Rote Kreuz spricht in seinem Report, der aus dem Juli stammt, von
einem System, das darauf angelegt sei, den Willen der Gefangenen zu
brechen und sie völlig abhängig zu machen von denjenigen, die sie
verhören. Zu den Methoden gehörten erniedrigende Akte und Einzelhaft.

Zudem würden die Gefangenen extremen Temperaturen und lauter Musik
ausgesetzt sowie gezwungen, in unbequemen Positionen zu verharren.
Die Methoden würden „zunehmend verbessert und repressiver“
eingesetzt, stellt der Bericht fest. Vereinzelt sollen Gefangene auch
geschlagen worden sein.

Der Aufbau eines solchen Systems, dessen erklärtes Ziel es sei,
Informationen für den Geheimdienst zu erhalten, könne nicht anders
bezeichnet werden als „ein System der Grausamkeit und eine Form der
Folter“.

Mehrfache Besuche vom Roten Kreuz

Delegationen des Roten Kreuzes haben den Stützpunkt seit Januar 2002
mehrfach besucht. Dort sind derzeit etwa 550 von den USA als
„feindliche Kämpfer“ eingestufte mutmaßliche Terroristen und
Angehörige des einstigen afghanischen Taliban-Regimes ohne Zugang zu
Rechtsanwälten interniert. Bereits mehrmals gab es Berichte über
Misshandlungen in dem Lager.

Der Bericht stützt sich auf einen Besuch von Vertretern des Roten
Kreuzes auf Guantanamo Bay im vergangenen Juni. Der amerikanischen
Regierung wurde der vertrauliche Report im Juli vorgelegt. Nach
Informationen der New York Times wurde er im Weißen Haus, dem
Pentagon und im Außenministerium verteilt.

Auch der Kommandeur des Stützpunkts, General Jay Hood, soll über den
Inhalt informiert worden sein. Die Regierung wies die Vorwürfe
bereits damals entschieden zurück. Nach Veröffentlichung des Berichts
durch die New York Times erklärte das Pentagon: „Die Vereinigten
Staaten betreiben eine sichere, humane und professionelle
Militärbasis in Guantanamo, die wertvolle Informationen im Kampf
gegen den Terror liefert.“

Strafanzeige gegen Rumsfeld

Die amerikanische Menschenrechtsorganisation Center for
Constitutional Rights (CCR) hat unterdessen gegen
US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld Strafanzeige beim
Generalbundesanwalt in Karlsruhe gestellt. „Wir werfen Rumsfeld und
neun weiteren Funktionären Kriegsverbrechen und Folter zum Nachteil
irakischer Internierter im US-Gefängnis Abu Ghraib im Irak vor“,
sagte der CCR-Präsident Michael Ratner am Dienstag in Berlin.

Die amerikanischen Juristen stützen sich bei ihrer Anzeige auf das
deutsche Völkerstrafgesetzbuch, wonach Kriegsverbrechen, Verbrechen
gegen die Menschlichkeit und Völkermord unabhängig von Tatort und
Herkunft der Täter verfolgt werden können. „Das deutsche Recht ist
für die Verfolgung dieser Verbrechen das weltweit beste“, sagte
Ratner.

Die Bundesanwaltschaft bestätigte den Eingang der Anzeige. Nun werde
die etwa 170 Seiten umfassende Schrift daraufhin geprüft, ob ein
ordentliches Ermittlungsverfahren eingeleitet werden müsse, sagte die
Sprecherin Frauke-Katrin Scheuten. Seit Inkrafttreten des
Völkerstrafgesetzbuchs im Juli 2002 habe keine der 26 gestellten
Anzeigen zu einem Ermittlungsverfahren geführt.

(SZ vom 1.12.2004)


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