So gut und richtig und so notwendig eine Verhandlungslösung auch ist, ich sehe keine Möglichkeit, wie unsere Führer die Bevölkerungen von ihrer dazu notwenigen 180° Wende (360° im Baerbockschen Modell) überzeugen könnten (wenn sie es überhaupt wollten).
Natürlich ist es auch in der Demokratie möglich und sogar gar nicht so selten, komplett gegen den Mehrheitswillen zu regieren, aber die Länge des Krieges und die bislang angefallenen (teils verdeckten) Kosten machen es immer schwerer, umzusteuern.
Es müssten auch die Medien diese Kehrtwende mitmachen, auch dort würde man Gefahr laufen, sich lächerlich zu machen.
Denn im Prinzip müsste man im Laufe der Verhandlungen eine komplett falsche Einschätzung der Ursachen des Krieges zugeben. Viele Propagandamärchen und vorgestanzte Phrasen der letzten 18 Monate würden plötzlich nicht nur schaal wirken, sondern sich als luftige Behauptungen, Lügen und Desinformation entpuppen.
Das fängt doch schon mit der Verharmlosung der Nato-Osterweiterung an, mit der Weigerung der USA, Russland in die europäische Sicherheitsarchitektur miteinzubinden, geht über den obskuren Maidan-Umsturz weiter zur fahrlässigen Vernachlässigung der Minsker-Verträge, zur Verharmlosung des russischen Truppenaufmarsches in 2021, der politischen und medialen Weigerung, die russischen Vertragsvorschläge auch nur öffentlich zu diskutieren und endet noch nicht beim Verschweigen der im April 2022 gefundenen Kompromissformeln zu einem Waffenstillstand in den Instanbulern Verhandlungen zw. Russland und der Ukraine, sondern erst beim westlichen Druck auf die Ukraine, auf diese Verhandlungen zu verzichten und explizit eine militärische Lösung zu erzwingen.
Weil all diese Punkte in der westlichen Narration ausgeblendet werden, mussten allerlei Kriegsmärchen herhalten (fast alle 10 Punkte des Ponsonby-"Handbuchs"), um die logischen Lücken zu füllen.
Soviel Wahrheit wird man den Bürgern nicht zumuten können oder wollen.
Zumal wir ja mit den Hardlinern im Westen auch überzeugte Befürworter eines Siegfriedens haben, die die Ukraine nur allzu gerne für eine Schwächung Russlands instrumentieren wollen. Ihre regelmäßigen Bekenntnisse zur absoluten Solidarität mit der Ukraine sollen natürlich auch die Wankelmütigen im Westen einschüchtern oder ihnen zumindest einen anderen Kurs erschweren.
Es bleiben also nur willensstarke, "flexible" westliche Führer, die einen solchen Vorschlag insgeheim umsetzen könnten, indem sie die Ukraine entweder zu Verhandlungen überreden oder, durch reduzierte Unterstützung dazu zwingen. Ein Zugeständnis der Ukraine dazu wäre aber sicher der politische (hoffentlich nur der) Tod der aktuellen Administration und es wäre unklar, was danach kommen würde.
Da jede Nato-Regierung, die das Wort "Verhandlungen" auch nur in den Mund nimmt, sofort zum Buhmann gemacht würde, müsste der Anstoss dafür von außerhalb kommen.
Die Vorschläge gab es schon, aber noch ist niemand aus dem Nato-Konsens ausgeschert. Die Brandmauer gegen den Frieden scheint noch intakt zu sein.
Insofern glaube ich, dass manche im Westen nicht unglücklich wären, wenn der Krieg auf "natürliche" Weise mit einer Niederlage der Ukraine enden würde.
Auf diese Weise würden fast alle ihr Gesicht wahren können. Man müsste dann nur die Vorwürfe "überleben", dass dieser oder jener es an Unterstützung hat mangeln lassen und also Schuld an der Niederlage hat. Einen Vorgeschmack darauf erleben wir ja gerade wieder bei der aktuellen Eskalationsrunde in Bezug auf Taurus, bei den F-16 sind wir ja zum Glück raus.