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  • lilywhite

mehr als 1000 Beiträge seit 19.03.2003

Eingleisige Sichtweise

thelonious monk schrieb am 10. Oktober 2006 15:25

> lilywhite schrieb am 10. Oktober 2006 11:53

> >
> > Im Gegenteil - sie hat sich als Kontrast zum Gottglauben entwickelt.
> > Die Wissenschaft ist ein Produkt der Zivilisation, es gab sie schon
> > bei den antiken Griechen und sogar noch früher, also lange vor der
> > Geburtsstunde der monotheistischen Religionen als Massenbewegung.
> >
> Unser Verständniss von Wissenschaft als empirisches Programm mit
> Beobachtung und daraus gezogener Erkenntniss ist neueren Datums.

Seitwann verstehen wir Wissenschaft allein als empirisches Programm??
Die empirisch-analytische Methode ist lediglich eine von vielen
verschiedenen Methoden, sich einem Thema wissenschaftlich zu nähern.
Ich kann mich einem Problem genauso historisch-dialektisch oder
hermeneutisch oder emanzipatorisch-kritisch nähern. Und gerade die
Vorreiter der Wissenschaft hatten oft wenig empirisches Material oder
gar vergleichenden wissenschaftlichen Diskurs zur Hand für ihre
Studien, sondern bedienten sich vor allem der Hermeneutik.

> Im übrigen, monotheistischen Religionen gab es schon rund 800 Jahre
> vor der griechischen klassischen Zeit.

Das ist schon richtig, aber Wissenschaft bzw. ihre Vorreiter gab es
schon lange vor den Griechen.

> > Unsinn. Wissenschaft würde nicht stattfinden, wenn es keine Basis und
> > keine Grundannahme geben würde.
> >
> Du kannst eine Blume als pures Phänomen beschreiben, welche Farbe hat
> die Blüte, wieviele Blätter hat der Stängel, wann wächst sie, welche
> Art sind ihre Früchte, ect., OHNE das du dir darüber Gedanken machst,
> aus welchem Grund sie wohl in dieser Welt ist, wer sie geschaffen hat
> und warum der Schöpfer die Blume so und nicht anders gemacht hat.

Was du hier gerade nennst, ist keine Wissenschaft, sondern eine pure
Gegenstandsbeschreibung. Wissenschaft, die ja auf ratio beruht, wird
immer zum Ziel haben, weiter zu fragen und zu forschen. Die
Wissenschaft basiert auf wahrnehmbaren Dingen, deren Herkunft oder
Bedeutung es zu klären gilt. Die Religion hingegen schreibt
wahrnehmbare Dinge Ursachen zu, die sie ihrerseits nicht erfassen
oder belegen kann, deshalb basiert sie auch nicht auf ratio
(Klugheit, Einsicht, Vernunft, Verstand) und wissenschaftlichem
Arbeiten liegt zumeist auch eine Theorie zugrunde (Grundannahme).

> Es geht nur um dieses Programm der Erkenntniss. Die Empiriker haben
> die Eschatologie weggelassen, weil sie über das Ziel der Schöpfung
> keine Aussagen machen wollten und auch nicht über die möglich
> Herkunft.

Nein, sie haben sie weggelassen, weil sie sich zur Evolution
bekennen. Und nach den Evolutionstheorien gibt es keine
"zielgerichtete Schöpfung".

> Die Ahnung, das Wissenschaft und Theologie eigentlich zusammengehören
> war zu der Zeit natürlich schon verlorengegangen.

Inwiefern gehören Wissenschaft und Theologie bitte zusammen? Die
Theologie liefert - im Gegensatz zur Wissenschaft - keine neuen
Erkenntnisse bezüglich der wesentlichen Frage bspw nach der Existenz
eines Schöpfers!

> > Was natürlich Unfug ist. Wissenschaft gibt es seit Menschengedenken
> > und nicht erst seit dem 14. Jh. Da mag vielleicht die Geburtsstunde
> > der insitutionalisierten Wissenschaft liegen, aber mit Sicherheit
> > nicht die der rationalen Erkenntnissuche an sich.
> >
> Rationale Erkenntniss gab es wie die Vernunft schon seit es Menschen
> gibt, okay, aber die Ausschließlichkeit, mit er die Vernunft den
> Zugang zur Erkenntniss für sich beanschprucht ist relativ neu.

Nun, das ist ja auch verständlich - schließlich benötigt man für
tiefschürfende Forschungen gewisse Utensilien, der Fortschritt war
rasant in den letzten 200 Jahren, was zu bahnbrechenden Erkenntnissen
z.B. in der Archäologie, Biologie, Chemie und Medizin führte. Dennoch
war die Suche nach der rationalen Erkenntnis kein Ding, das vor der
Moderne nicht stattgefunden hätte - nur waren eben die Möglichkeiten
begrenzt.

> >
> > Das kann nun unmöglich dein Ernst sein! Welche Folgen denn bitte?

> Eine Folge von vielen an sich 'neutralen' Ergebnissen ist zb. der
> Umgang mit der Trisomie 21.

> Man hat sie als genetische Ursache erkannt, man kann durch pränatale
> Diagnostik die Trisomie 21 während der Schwangerschaft (relativ spät)
> erkennen, Spätabtreibung sind seit der sozialen-medizinischen
> Indikation bis unmittelbar vor der Geburt möglich, durch den Glauben,
> nur ein 'gesundes' Kind hat ein Recht auf Leben wird auch fleißig aus
> dem medizinischen Grund Trisomie 21 abgetrieben, und am Ende stehen
> wahre Lebenskatastrofen.

Du willst mir also erzählen, dass die Mehrzahl der Eltern, die ein
Kind mit Downsyndrom erwarten, dieses abtreiben lassen?? Das ist
einfach unerhört! Und ich frage dich mal was: Welchen Vorteil hat das
Kind mit Downsyndrom, wenn es notgedrungen geboren wird, die Mutter
total überfordert ist und sich von diesem Kind abgestoßen fühlt und
dann ein jämmerliches Leben als ungeliebter Sonderling führt?? Hast
du eigentlich eine Ahnung, was im Mittelalter mit behinderten Kindern
gemacht wurde - und zwar NACHDEM sie geboren wurden??
Für manche Leute ist das gottgegebene Recht auf Leben selbst dann
noch unerschütterlich, wenn es für das Kind ein leben in Qual und
Schmerz bedeutet und wie man DAS seinem Kind antun kann, das will mir
nicht in den Kopf!

> Bis vor ganz kurzer Zeit war Trisisomie 21 ein Schicksal, das ist
> hart und alles, aber niemand war *Schuld* in irgendeinem Sinne (außer
> vielleicht der Schöpfer). Durch die moderne Genetik muß plötzlich
> jeder, der ein Trisomie 21 betroffenes Kind zur Welt bring, sich
> rechtfertigen. Warum hat er/sie den keine PND gemacht, und wenn die
> positiv gewesen wäre, warum hat er/sie dann nicht abgetrieben ect.

> Das sind jetzt keine Geschichten sondern z.Z. über 1700 Fälle im
> Jahr, und was da an Schmerz und Verzweiflung zusammenkommt geht
> teilweise über das menschliche Mass.

Und du bezeichnest das also als negative Folge der Wissenschaft, dass
so vielen Kindern das triste Leben in Behindertenheimen und Anstalten
erspart wird, was vorher lange Jahre an der Tagesordnung war? Was ist
mit dem Schmerz der Eltern, wenn sie nach 9 Monaten Schwangerschaft
und einer unbendigen Freude auf ihr Kind ein schwerbehindertes Kind
in ihren Armen halten und das in einer ohnehin äußerst
kräfteraubenden und stressigen Situation (Geburt)?? Die genetische
Frühdiagnostik erspart den Eltern diesen Schmerz und vielen Kindern
vermutlich ein liebloses, trostloses Schicksal in einem Heim oder gar
Vernachlässigung oder Tod.
Das sollten sich viele Gegner wissenschaftlicher Forschung mal durch
den Kopf gehen lassen - dein Kind ist es ja nicht, das dadurch solch
einem Schicksal entgeht.

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