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Avatar von Aletheius la Dyaus Pitar
  • Aletheius la Dyaus Pitar

mehr als 1000 Beiträge seit 28.10.2011

Re: Religionen und Machtgefüge (Gedanke zur Frage am Schluss) II

> > Die Befreiung von der geistigen Bevormundung durch Religion war ein
> > gewaltiger emanziopatorischer Akt in der abendländischen Kultur. Das
> > scheint mir der Autor vergessen zu haben.
> > Hierzulande wird es schwierig werden, heute z.B. Freiwillige zu
> > finden für einen Feldzug zur "Reinigung" des Grabes Christi von den
> > darum herum lebenden Ungläubigen. Zum Glück.

> Ich wäre mir da nicht so sicher. Der Prozeß, den wir als Aufklärung
> bezeichnen, hat zu keiner Zeit die gesamte Gesellschaft erreicht.
> Sicherlich hat sie uns Mittel in die Hand gegeben, unser und anderer
> Tun unter rationalen Aspekten zu beurteilen und daraus Schlüsse zu
> ziehen, aber wird es auch immer die Bereitschaft geben, davon
> Gebrauch zu machen?

Hier kommt das Individuum mit seinem Selbstverständnis, seinen
Lebenszielen und seinen Visionen hervor, dessen 'Koordinatensystem'
aber bei Ressourcenknappheit leicht beeinflussbar wird.
> http://de.wikipedia.org/wiki/Kreuzzug#Gesellschaftliche_Faktoren_in_Europa

Die Aktion www.plant-for-the-planet.org versucht ja auch im
'Sorgenfeld' "weltweite Erwärmung" über möglichst große Reichweite
diese Ziele in den Individuen so zu verankern, dass alle dasselbe
wollen und sich der Erfolg auch einstellt.
(über diesen Ansatz wäre auch der über die Zeiten wahrnehmbare
Vorherrschaftsanspruch jeder Religion zurückzuführen.)

Dass solche Initiativen notwendig sind, um durch einen positiven
Impuls kooperatives Verhalten 'anzustoßen', scheint historisch beim
das Fehlen einer spontanen Bereitschaft zur Kooperation bei Cortez
gegenüber Moctezuma II. belegt zu sein, der einer japanischen
Umschreibung davon ausging, "dass man einander das Gesicht wahren
ließe"

Begin Zitat
"... . Francisco López de Gómara, der Biograph des Hernán Cortés,
schrieb über ihn: "Moctezuma muss wohl ein schwacher und kleinmütiger
Mann gewesen sein, denn er ließ sich ohne weiteres gefangen nehmen,
und als Gefangener versuchte er nie freizukommen, nicht einmal, als
Cortés ihm die Freiheit anbot und seine eigenen Leute ihn darum
anflehten." Für die Beweggründe Moctezumas hatte er jedoch keine
Erklärung.

Der Chronist Petrus Martyr von Anghiera, der zur Zeit der Eroberung
Mexikos in Spanien lebte, schrieb über Moctezumas Verhältnis zu den
Taten der Spanier während seiner Gefangenschaft: "Diese Maßnahmen,
die ihn schlimmer trafen als wenn man Schulknaben grammatische Regeln
zum Auswendiglernen aufgibt, nahm er offenbar nur deshalb mit
Gleichmut hin und ertrug sie alle ruhig, um eine Erhebung seiner
Untertanen und Vasallen zu vermeiden. Jede persönliche Belastung
erschien ihm leichter als ein Aufstand der Seinen. " ..."

Der bulgarisch-französische Wissenschaftler Tzvetan Todorov sieht
seine Ablehnung, mit den Spaniern selbst Kontakt aufzunehmen, zum
Teil in einem alten Gesetz begründet, das es seinen Untertanen
verbot, direkt mit ihm zu sprechen oder ihn gar anzusehen: Ein
Verstoß gegen diese Regel würde ihn auf die Ebene seiner Subjekte
herablassen und ihn auf diese Weise verletzbar machen.  ..."

Ende Zitat Wikipedia

Die vielen Spenden an kostbaren Stoffen und Gold nach der Anlandung
von Hernando Cortez verweisen - vor dem Hintergrund, dass Moctezuma
innenpolitisch eine weitgehende Stärkung der Position des Adels
bewirkte - auf die eigentliche Botschaft Moctezumas II.: "Ich tue Dir
nichts, tue Du mir auch nichts" - die unterste Stufe beim
kooperativen Zusammenleben beim gleichzeitigen Fehlen von
Ressorucen-Knappheiten.

Denn Moctezuma II. gelangte gedanklich nicht zur Befürchtung, er
könne über die Geschenke erst recht Begierde nach mehr wecken. Er
dachte, die Fremden hätten schon alles, könnten schon alles, weil sie
ja sogar über das Wasser reisen können (als Götter wurde Cortez und
die Seinen auf jeden Fall nicht angesehen).

Außerdem hatte Cortez über die Konkurrenten von Moctezuma II. in Form
von Malice leichtes Spiel - die ihrerseits auf Kooperation und
Dankbarkeit bei Cortez setzte.

> Sie braucht aber Menschen, die daran glauben in den Sinn, daß sie
> diese Inhalte für wahr oder gültig halten, und daß sie es auch nicht
> für erforderlich halten, diese Inhalte einer Überprüfung zu
> unterziehen, an deren Stelle das Vertrauen setzen. Und schon sind wir
> wieder eim Ursprung des Ganzen.

Es ist immer so wie man denkt ... und wenn Kinder sehen, dass sie
bestimmten Regeln und Gesetzen folgen müssen, um gut -wie auch immer
- durchzukommen, dann halten sich sich daran fest. Dass damit
abhängig von den Wirtschaftskreisläufen ein "Tragedy of small
decisions" zwangsläufig entstehen muss, liegt auf der Hand (wenn
nicht gerade ein Krieg, ungünstiges Wetter oder ein Seuchenzug ganze
Landstriche 'entvölkert').

> > Ich gebe zu, es ist ein simples Bild, aber m.E. kommen die Probleme
> > der Menschheit dadurch zustande, dass es Menschen gibt, die über
> > andere Macht haben wollen, die andere beherrschen wollen.
> > Früher mehr durch physische Gewalt, in unseren heutigen Kulturen mehr
> > durch subtile Beeinflussung, Ausbeutung und Übervorteilung.
> > Diese Menschen sind durchaus intelligent und bilden komplexe
> > Strukturen, in welchen sie ihre Macht über andere entfalten können.

> > Was treibt solche Menschen an?
> > Warum sind sie so?
> > Dieser Unterschied ist m.E. entscheidend und weitgehend unverstanden.

> Das dürfte kaum zu beantworten sein; zumindest die zweite Frage.
> Weder die Biologen oder Neurologen noch die Soziologen dürften darauf
> eine Antwort geben können.

Und bei der Erwägung von Biologen und Neurologen stellte ich die
rhetorische Frage, ob es mit der Ungeduld, mit dem Ärger zu tun hat,
der entsteht, wenn der Gesprächspartner nicht folgen kann/möchte.

Die wahrgenommene Arroganz und Überheblichkeit kann ja davon
herrühren, dass nicht um die Macht des Faktischen geht, um den
Profit, sondern dass die Realisation in erster Linie die Vorzüge, den
Erfolg belegen soll und die "Früchte dieser Arbeit" erst einmal
sekundär sind. 

Aus der Sicht des Kybernetischen zweiter Ordnung bedeutet nämlich das
Schließen von Bündnissen intelligentes und kooperatives Handeln. Und
wenn es nicht zu einem Bündnis kommt, wie lange dauert es bis zur
Idee, den anderen (vorsichtigeren) doch über den Erfolg nachträglich
zu überzeugen?

Das Brechen von Bündnissen ist auch nicht nur auf niedere Motive,
sondern das Erkennen eines Irrtums aufgrund von, erst im Nachhinein
aufgetretenen Unvereinbarkeiten zurückzuführen.

Beispiel: Die Römer setzte ja nach der Niederlage des Varus darauf,
dass die germanischen Stämme sich dann zerstritten. Die Kenntnis der
Voraussetzungen zum Beherrschen der 'sozialen Zentrifugalkräfte',
nämlich 'disciplina', ersparte den Römern tatsächlich viele Kräfte.

Und von daher kann es sein, dass Aufscheinen des säkulären Raums in
der Öffentlichkeit - wie in der Zeit vor den Caesaren mit ihren
Eingeweideschauen und Vestas - über seinen beruhigenden Charakter die
immanenten Notwendigkeiten des Waren-erzeugenden und
Nachfrage-schaffenden Kultur des Lebens zurückdrängt.

Biologen und Neurologen werden sicherlich bestätigen, dass
Entspannung und kultivierter Ablenkung sich positiv auf die,
vorwiegend in schweren Zeiten besonders empfindsamen und hitzigen
Gemüter auswirkt ... was dann das Entstehen von Kooperationen
begünstigt, womit ich also nach zwei Seiten immer noch on-topic mit
Deinem Post geblieben bin.

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