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  • schopy

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Re: General Alexander, der Hohepriester der NSA als das Auge Gottes

Tante Frieda schrieb am 18. September 2014 14:18

> Hier in Deutschland stellt sich mir die Frage, ob es bei der
> Besetzung der jeweils zu wählenden Bundesregierung genauso vorherige
> Telefonate zwischen einer Frau Nuland und dem US-Botschafter am
> Pariser Platz gibt wie in Kiew, in dem die passendste Figur nach
> US-Gusto ausdiskutiert wird. 

Von etwas in dieser Richtung kann man wohl ausgehen.

Ich erinnere mich noch unscharf an eine ausführliche Passage in einem
Buch von meinem Lieblingsfeind Zbigniew Brzezinski (keine Ahnung mehr
welches Buch). Er schilderte dort, wie er die Auswahl von Jimmy
Carter als nächsten Präsidenten nach seinem Willen gesteuert hat, und
welche Überlegungen dabei eine Rolle spielten. Am wichtigsten dabei:
Welche Charaktertype passt zur aktuellen Stimmungslage der Nation um
die politischen Aufgaben XY dem Volk verkaufen zu können.

Der Eindruck, der sich bei mir im Laufe der Jahre bis an die Grenze
zur Gewissheit erhärtet hat, ist, dass sich die grauen Eminenzen im
Hintergrund einen Pool von potentiellen Kandidaten für alle möglichen
Ämter züchten, aus denen sie dann je nach aktueller Stimmungslage
denjenigen auswählen, der das, was gemacht werden muss, dem Volk am
besten verkaufen kann.

Ich vermute z.B., dass Cem Özdemir nur noch einige wenige Wahlen in
seinem Pool abwarten muss bis er erst Außenminister und dann Kanzler
wird. Und bei Schröder/Fischer ist es zumindest im Nachhinein recht
deutlich zu erkennen, dass sie die Wahl des Kapitals waren. Ein
derartiger Abriss der über viele Jahrzehnte aufgebauten sozialen
Grundlage unserer Gesellschaft hat propagandamäßig ein rot/grünes
Label dringend notwendig gemacht. Unter Schwarz/Gelb wäre bei einem
derartigen Abriss zivilisatorischer Errungenschaften die Gefahr eines
Aufstands erheblich größer gewesen.

Man kann das auch bei Obama erkennen, der schon sehr frühzeitig in
ein Lehrer/Mentor-Verhältnis zu Brzezinski trat. Wenn ich mich recht
erinnere, war dann der eine Sohn Brzezinskis im Wahlkampfteam von
John McCain, der ander Sohn im Wahlkampfteam von Obama. Es war wohl
wirklich wichtig, dass Obama das Rennen macht. Spätestens die
Nominierung der absolut unwählbaren Sarah Palin auf der Gegenseite
machte das unmissverständlich deutlich.

Manchmal hält die graue Eminenz es dann für nötig, seinem Zögling im
täglichen Geschäft hilfreich und steuernd zur Seite zu stehen,
manchmal nicht. Brzezinski hatte Carter z.B. nicht deshalb
ausgewählt, weil er ihn für besonders fähig hielt, sondern weil er in
die Zeit und zur Stimmung passte. Deshalb führte er ihm als
Sicherheitsberater die Hand.

Auf der Seite der Neo-Cons ist eine der grauen Eminenzen Richard
Perle. Der hat sich in einem Interview mal schön verplappert. Er
wurde gefragt, warum er unter Präsident XY (weiß nicht mehr, ob es um
Reagan oder einen der Bushmänner ging) kein offizielles politisches
Amt übernommen habe, sondern nur sein Büro gleich neben dem
Präsidenten behielt. Er sagte, er habe kein offizielles Amt
übernommen, weil er nach seiner Einschätzung der Details der
damaligen politischen Lage hinter den Kulissen bleibend mehr Einfluss
habe nehmen können.

Interessant finde ich, dass diese eigentlichen Politikmacher nicht
nur die Regierungschefs auswählen, sondern es ihnen auch nach
Gutdünken frei steht, hohe Ämter zu übernehmen oder eben auch nicht.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich vermute ausdrücklich *nicht*,
dass die Ebene der Brzezinskis und Perles die höchste politische
Ebene wäre. Auch das sind sicher nur Ausführende. Taktiker und
Strategen hinter den Kulissen, die für sich selbst keine Angst vor
Wahlterminen haben müssen.

Politik wird nicht von den Menschen gemacht, die wir wählen. Von
diesen Menschen werden uns politische Entscheidungen nur verkündet
("alternativlos"). Die große Frage lautet eben, wer denn dann die
großen politischen Entscheidungen fällt.

Der Systemdruck? Den gibt es ganz sicher. Aber ist das die letzte
mögliche Antwort? Wer entscheidet, dass an diesem System festgehalten
wird?

(Literaturtip: Erich Kästner, "Die Schule der Diktatoren")

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