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  • reihu

45 Beiträge seit 26.10.2006

Re: Vorwärts in die Vergangenheit...

DdCno1 schrieb am 2. April 2011 16:23

> Es scheint mir, als ob man hier versuchen würde, Jahrzehnte
> Architekturgeschichte einfach aus der Öffentlichkeit zu tilgen, ohne
> auch nur im Ansatz diese Bausubstanz als Ausdruck einer eigenen Zeit
> und Ästhetik zu würdigen.

Jede Epoche sollte gewürdigt werden - inzwischen werden ja die Bauten
der 50er-Jahre auch wieder wertgeschätzt. Gebäude aus den 60ern und
70ern, der Hochzeit des Bauwirtschaftsfunktionalismus, haben es da
allerdings schwerer ...

> Städte entwickeln sich weiter, verändern sich, genauso wie es
> Gesellschaften tun. Diese Rekonstruktionen wirken auf mich ebenso
> leblos wie Legohäuser. Auch die alten Originalgebäude wurden, gerade
> im Stadtkern, nach dem Abriss vorhergehender Gebäude gebaut, weil
> diese zu klein, baufällig, zu bescheiden oder ungünstig aufgeteilt
> waren.

Das ist richtig, allerdings gab es nie in der Geschichte so
großflächige Verluste von Bauten früherer Epochen, sondern die
Erneuerung fand allmählich statt. Ohne diese Verluste gäbe es heute
sicher auch keine Rekonstruktionsdebatte.

> In der Öffentlichkeit hat sich offenbar im Laufe der letzten Jahre
> ein (gewiss nicht nur) architektonischer Konservatismus breit
> gemacht, der sich nach einer cleanen, naiven Version der städtischen
> Vergangenheit sehnt, touristenfreundlich aufbereitet und garantiert
> keimfrei. 

Stimmt, niemand würde heute noch in einem Original-Fachwerkhaus
wohnen wollen. Auch die neuen Fachwerkhäuser in Frankfurt werden
garantiert moderne Heizungen und Bäder haben ...

Was die generelle Tendenz zur "alten Stadt" angeht, so mag sicher
eine Rückbesinnung auf konservative, bürgerliche Traditionen eine
Rolle spielen. Ein anderes Motiv ist m.E. aber auch, dass die
kompakten Strukturen alter Städte den aktuellen städtebaulichen und
ökologischen Zielen relativ gut entsprechen: Städte sollen heute
"urban" und fußgängerfreundlich sein, wenig Energie und wenig Fläche
verbrauchen. Unabhängig von ästhetischen Aspekten sieht  die
"autogerechte" Stadt der 1960er Jahre in diesem Kontext heute
ziemlich "alt" aus.

Reinhard Huschke

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