Die Wahlempfehlung wäre ja keine Entscheidung von Bezos gewesen, sondern die der WP-Redaktion. Bezos hat sein Versprechen, sich nicht in redaktionelle Belange einzumischen gebrochen und dadurch das wichtigste Kapital der WP beschädigt: ihre Glaubwürdigkeit. Die Wahlempfehlung war eine jahrzehntelang gepflegte Tradition. Man kann davon halten, was man will aber es sollte eine Entscheidung der Redaktion sein, ob man das macht und ganz bestimmt kein vom Eigentümer par ordre du mufti durchgedrückter Befehl. Das ist ein publizistischer Super-GAU mit dem Bezos sich als Eigentümer unmöglich gemacht hat.
Eine Wahlempfehlung ist nun wirklich die harmloseste Form der "Wahlbeeinflussung", denn sie ist absolut offen und klar als Meinungsäußerung zu erkennen. Fox News gibt zwar keine Wahlempfehlung, dafür läuft dort praktisch ein Trump-Wahlkampfspot in Dauerschleife. Da fällt nicht ein kritisches Wort zu Trump.
Grundsätzlich hat Bezos der WP ja sehr gut getan, er hat das Digitalgeschäft angekurbelt und dafür gesorgt, dass die chronisch defizitäre WP schwarze Zahlen schrieb. Jetzt hat er alles kaputt gemacht - wegen einer mutmaßlich ebenso wirkungs- wie bedeutungslosen Wahlempfehlung.